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Menschenrechtsinstitution SMRI «Menschenrechte werden erst dann wahrgenommen, wenn sie fehlen»

Als eines der letzten europäischen Länder hat die Schweiz im Mai 2023 eine nationale Menschenrechtsinstitution  – SMRI – gegründet. Über 20 Jahre lang wurde politisch um die Schaffung einer solchen Institution gerungen. Jetzt gibt Direktor Stefan Schlegel Auskunft über seine Ziele und die Arbeit der SMRI.

Stefan Schlegel

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Der Jurist Stefan Schlegel ist seit dem 1. Februar 2024 Direktor der im Mai 2023 neu gegründeten Schweizerischen Menschenrechtsinstitution SMRI. Der 40-jährige Rheintaler hat im Bereich des Migrationsrechts doktoriert und engagiert sich auch im Vorstand der politischen Bewegung «Operation Libero».

SRF News: Warum brauchen wir in der Schweiz eine Menschenrechtsinstitution?

Stefan Schlegel: Menschenrechte können wir uns wie ein Hintergrundrauschen vorstellen. Dass sie fehlen, merken wir erst, wenn sie nicht mehr da sind. Die Freiheit, wie wir unser Leben gestalten, ist eng mit den Menschenrechten verbunden.

Während Corona haben wir gemerkt, wie drastisch der Staat in einer Notsituation ins Leben der Bevölkerung eingreifen kann.

Während Corona haben wir zum Beispiel gemerkt, wie stark die eigene Lebensgestaltung eingeschränkt werden kann. Es wurde uns vor Augen geführt, wie heikel es sein kann, wenn der Staat sich auf eine Notsituation berufen und drastisch in das Leben der Bevölkerung eingreifen kann.

SMRI wurde im Mai 2023 gegründet

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Am 1. Oktober 2021 verabschiedete das eidgenössische Parlament die Vorlage zur Schaffung einer nationalen Menschenrechtsinstitution in der Schweiz. Damit sollte das Pilotprojekt des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte durch eine dauerhafte Institution zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte in der Schweiz ersetzt werden. Das Kompetenzzentrum schloss seine Tätigkeit am 31. Dezember 2022 ab, und die Schweizerische Menschenrechtsinstitution (SMRI) wurde am 23. Mai 2023 in Bern gegründet. Laut den Statuten können «natürliche oder juristische Personen, deren Aktivitäten mit dem Schutz und der Förderung der Menschenrechte verbunden sind» Mitglied der SMRI werden. Die unabhängige SMRI soll in allen Lebensbereichen und auf allen politischen Ebenen in der Schweiz zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte beitragen.

Die Schweizerische Menschenrechtsinstitution ist noch sehr jung. Hinkt die Schweiz da hinterher?

Ja. Besonders im europäischen Kontext hat ein Grossteil der Länder bereits eine Menschenrechtsinstitution.

Wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht, denkt man nicht zuerst an die Schweiz. Ist das der Grund für die vielen politischen Diskussionen darüber, ob die Schweiz ein solches Institut überhaupt braucht?

Ich denke, es gibt mehrere Gründe. Man könnte die Hypothese auch umdrehen. Wenn alle davon ausgegangen wären, dass die Menschenrechte in der Schweiz lückenlos umgesetzt werden, dann wäre die Gründung der SMRI problemlos gewesen. Dem war nicht so. Es war ein mühsamer und langwieriger Prozess. Das deutet darauf hin, dass die Idee einer Institution, die sich für die Menschenrechte einsetzt, nicht allen gefiel.

Letzte Woche hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Schweiz wegen Racial Profiling verurteilt. Hat dieses Urteil etwas mit der SMRI zu tun?

Ja, das hat es. Was wir nicht machen können, ist Einzelfallarbeit. Das heisst, wir können nicht urteilen, wer Recht oder Unrecht hat. Für uns interessant ist die Offenlegung der strukturellen Probleme in der Schweiz. An denen können wir dann arbeiten.

Unsere Aufgabe ist es, ‹Best Practice›-Regeln zu erarbeiten.

Es sind konkrete Probleme, die in der Praxis bestehen. Unsere Aufgabe ist es dann, sogenannte Best-Practice-Regeln zu erarbeiten und diese bei den Gemeinden und Kantonen einzubringen.

Sie haben ein breites Aufgabenspektrum mit einem schmalen Budget von einer Million Franken pro Jahr zu bewältigen. Der UNO-Sozialausschuss kritisiert, die SMRI habe zu wenig Geld und Kompetenzen und droht, sie nicht als Vollmitglied zu akkreditieren. Wie gross ist diese Gefahr?

Das ist im Moment schwierig abzuschätzen. Es ist jedoch klar, dass unsere Ressourcen nicht mit denen anderer europäischer Menschenrechtsinstitutionen vergleichbar sind. Es ist schwierig, mit unseren Mitteln der Breite der Mandate vollkommen gerecht zu werden – was auch kritisiert wurde. Ausreichende Ressourcen sind wichtig, damit wir unsere Unabhängigkeit bewahren können. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass wir in den nächsten vier Jahren den Wert der SMRI unter Beweis stellen und aufzeigen können, wo das Wachstumspotenzial liegt.

Das Gespräch führte Karoline Arn.

Tagesgespräch, 28.2.2024, 13:00 Uhr ; 

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