Der Fall war aussergewöhnlich, auch für den Chef der Nidwaldner Kriminalpolizei. Senad Sakic war selbst mit auf Patrouille auf der Autobahn A2, als seine Leute am frühen Morgen des 5. September 2022 auf der Höhe von Hergiswil einen fensterlosen weissen Lieferwagen anhielten.
Wir trafen auf einen Chauffeur, der sehr nervös war.
«Wir trafen auf einen Chauffeur, der sehr nervös war», erinnert er sich. «Und hinten im Laderaum auf 23 Personen, auf engstem Raum zusammengepfercht, sichtlich erschöpft, teilweise mit Atemproblemen.»
Ein knappes Jahr später ist der Fall juristisch erledigt: Der Schlepper wurde vergangene Woche verurteilt zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe – und diese Verurteilung sei eine Erfolgsgeschichte im Kampf gegen den organisierten Menschenschmuggel, sagt Kripo-Chef Sakic. «Es zeigt sich, es bringt etwas, auf die A2 zu stehen und Fahrzeuge zu kontrollieren.»
Beflügelt von diesem Fang habe die Nidwaldner Kantonspolizei die Kontrollen auf der Autobahn verstärkt, unterstützt vom Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit und vom Bundesamt für Polizei Fedpol, sagt Sakic.
Vergleichbare Erfolge habe es zwar nicht mehr gegeben. Aber immerhin, so der Kripo-Chef: «Wir haben einen Chauffeur aufgegriffen, der vor einigen Jahren wegen Verdachts auf Menschenschmuggel identifiziert wurde.»
Kontrollen sind aufwendig – und bringen Zufallstreffer
Das Grundproblem können jedoch auch die zusätzlichen Kontrollen nicht lösen: Menschenschmuggel passiert im Verborgenen. Er ist schwierig zu erkennen, die Polizei landet oftmals einfach Zufallstreffer.
Wie jener im vergangenen September: «Wir hatten keine Anhaltspunkte», sagt Sakic. «Es war Instinkt, der dazu geführt hatte, diesen Lieferwagen anzuhalten. Vielleicht das italienische Nummernschild, vielleicht die frühe Uhrzeit.» Kommt dazu: Kontrollen sind aufwendig, gerade für einen kleinen Kanton wie Nidwalden mit einem Polizeikorps, das etwas mehr als 70 Stellen umfasst.
Zwar funktioniere die Zusammenarbeit mit dem Bund und anderen Kantonen gut, sagt Sakic. Aber: «Letztlich fehlen uns die personellen Ressourcen, um regelmässig Fahrzeuge kontrollieren zu können. Oftmals müssen wir die Verfolgung von anderen Straftaten vorziehen.»
Hinter Schleppern stehen ganze Netzwerke
Allerdings sind Schlepper wie jener, den die Nidwaldner Kantonspolizei vor gut einem Jahr schnappen konnte, ohnehin nur ein kleines Zahnrad im System des organisierten Menschenschmuggels. «Diese Schleuser arbeiten für wenig Geld und tragen das grösste Risiko, erwischt zu werden», sagt Sakic.
Drahtzieher seien aber jene Leute, die solche Schleuser anwerben, so der Kripo-Chef. Lose Täternetzwerke, die über Social Media und Messenger-Dienste nicht nur Schleppertransporte organisierten, sondern auch echte oder gefälschte Pässe anböten und Informationen über die Asylverfahren verschiedener Länder verbreiteten.
«Solche Gruppen gibt es in allen Ländern auf der Migrationsroute von Süden nach Norden, auch in der Schweiz», sagt Sakic. Sie zu erwischen, sei schwierig.
Ich erinnere mich gut, wie es war, diese Menschen befreien zu können.
Dennoch zeigt sich Kripo-Chef Senad Sakic motiviert. «Ich erinnere mich gut, in welchem Zustand die 23 Menschen in dem Lieferwagen waren und wie es war, sie befreien zu können. Wir bemühen uns, im Kampf gegen Menschenschmuggel auch weiterhin in hoher Intensität Kontrollen durchführen zu können.»