«Diesem Land geht es gut und wir haben quasi Vollbeschäftigung», konstatierte Bundesrat Johann Schneider-Ammann bereits zu Beginn der Diskussion in der «Arena». Dies dank einem liberalen Arbeitsmarktgesetz und einer intakten Sozialpartnerschaft. Dort, wo Löhne diktiert würden, gebe es Arbeitslosigkeit, betonte der WBF-Vorsteher. Die Initiative wolle flächendeckend über alle Branchen einen gesetzlichen Mindestlohn – das würde unserem Land jegliche Flexibilität nehmen.
Der oberste Gewerkschafter Paul Rechsteiner widersprach dem Bundesrat auch nicht, dass die Sozialpartnerschaft ein wichtiges Element sei. «Es ist eine Schande, dass wir in der Schweiz rund 330‘000 Leute haben, die voll arbeiten und trotzdem nicht vom Lohn leben können», erklärte Rechsteiner. Der Mindestlohn sei weltweit, aber auch hier in der Schweiz, ein Erfolgsrezept – die Gesamtarbeitsverträge würden es zeigen.
SVP-Nationalrat und Gegner der Initiative Toni Brunner gab zu bedenken, dass mit dem Vorstoss der Gewerkschaften die Schweiz noch weniger konkurrenzfähig mit dem Ausland werde als vorher. Man vernichte Arbeitsplätze, weil gewisse Jobs nicht mehr angeboten werden können. Mit der Initiative treffe man Rand- und Bergregionen, «also die Falschen.» Es habe auch etwas mit der Idee der Schweiz zu tun, dass in allen Regionen Jobs angeboten würden.
Unterschiedliche Märkte und Regionen
Die Problematik der Randregionen blieb ein Thema. Der Tessiner CVP-Nationalrat und Gegner der Initiative, Marco Romano, schilderte die Situation in seinem Kanton: Ein Mindestlohn von 4000 Franken würde wie ein Magnet auf die Arbeitnehmer in der Lombardei wirken. Wegen der Vielfalt der Regionen plädierte Romano dafür, einen Lösungsansatz bei den einzelnen Branchen zu suchen.
Dies unterstrich auch Schneider-Ammann. In der Schweiz gebe es eben nicht nur einen Markt. «Es sind unterschiedliche Branchen und das Rezept kann nicht sein, dass man für alle Branchen einen Mindestlohn einführt.»
In der «Arena» wurde oft der Vergleich mit dem Ausland herangezogen, insbesondere mit Deutschland. Dort strebe man einen bedeutend tieferen Mindestlohn von 8.50 Euro pro Stunde an. Diesen Vergleich kritisierte aber Unia-Co-Präsidentin Vania Alleva. Dieser deutsche Mindestlohn würde für 16 Prozent der Beschäftigten eine Lohnerhöhung bedeuten. Die von der Initiative geforderten 22 Franken pro Stunde wären eine Erhöhung bei nicht einmal jeder zehnten Stelle in der Schweiz. «Es ist also wirtschaftlich gesehen ein kleines Projekt, für die Betroffenen ist es aber viel.»
Höhere Löhne – teurere Preise?
Hinsichtlich der Gefahr von Preiserhöhungen erklärte Toni Brunner, dass geforderte höhere Löhne auch zu teureren Preisen führe. Es sei ja klar, dass ein Arbeitgeber höhere Löhne irgendwie kompensieren müsse. «Aber es gibt auch eine weitaus schlechtere Möglichkeit für den Arbeitgeber: Er verzichtet auf die Arbeitsplätze.»
Einigkeit bestehe darin, dass die Initiative vor allem die Armut bekämpfen wolle, erklärte der Wirtschaftsminister. Das allerbeste Rezept dagegen sei, dass jemand im Job bleibe. Die 330‘000 Tieflohnbezüger gebe es, das sei nicht abzustreiten. Aber 87 Prozent der Betroffenen lebten nicht in einem Ein-Personen-Haushalt, sondern in einem Mehreinkommen-Haushalt und würden somit nicht unter die so genannten Working Poor fallen.
«Das Falscheste, das wir machen könnten, ist, dass wir einen Einheitstarif einführen, der im internationalen Vergleich sehr hoch ist. Das würde dazu führen, dass in diesem Land zwangsläufig die Wettbewerbsfähigkeit angekratzt würde und damit Jobs riskiert würden», betonte Schneider-Amann. Weiter bemerkte er, dass in der Schweiz jeder zweite Arbeitsplatz vom Ausland abhängig sei. Und hier müsse man wettbewerbsfähig bleiben.