Arbeiten aber trotzdem arm sein. Was vor einigen Jahren unter dem Schlagwort «Working Poor» die Runde machte, ist für viele Alltag. Sie arbeiten zwar 100 Prozent, können aber trotzdem nicht davon leben. Dagegen wollen Gewerkschaften und SP mit der Mindestlohn-Initiative vorgehen. Sie verlangt unter anderem, dass alle mindestens 22 Franken pro Stunde verdienen müssen.
Alle sollen mit ihrem Lohn in Würde leben können. Das findet im Grundsatz auch der Bundesrat. Trotzdem lehnt er die Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Mindestlöhne seien nicht das geeignete Mittel, um die Armut zu bekämpfen, erklärte Bundesrat Johann Schneider-Ammann vor den Medien in Bern.
Die Ursachen der Armut liessen sich nur teilweise durch tiefe Löhne erklären. Auch
Faktoren wie die familiäre Situation oder die Wohnkosten hätten einen Einfluss. «Die beste Bekämpfung der Armut ist die Beschäftigung.»
Wichtige Flexibilität
Schneider-Ammann betonte das gute Funktionieren der Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Die Initianten stellten eine «lange und sehr bewährte» Tradition in Frage. Nämlich die Art und Weise, wie die Löhne festgelegt werden.
Die Flexibilität des Arbeitsmarktes sei wichtig für die Schweiz. «Das Geheimnis unserer Sozialpartnerschaft ist, dass die Branchen mit den Märkten atmen können.»
Der Bundesrat sieht bei fixen Mindestlöhnen aber nicht nur die Arbeitsmarktpolitik in Gefahr. Es könnten auch Arbeitsplätze verloren gehen. Gerade in Randregionen oder in bestimmten Branchen wie etwa dem Tourismus könnte ein Mindestlohn zu einem Arbeitsplatzabbau führen, befürchtet Schneider-Ammann.
4000 Franken reichen nicht
Der Bundesrat weigere sich, die Arbeitnehmenden vor Lohndruck und vor der Willkür der Arbeitgeber zu schützen, schreibt der Gewerkschaftsbund in einer Mitteilung. Mit einem Lohn unter 4000 Franken könne man in der reichen Schweiz nicht leben. Das betreffe immerhin rund 400‘000 Menschen. «Der Bundesrat hat mit seinem Nein zu Mindestlöhnen zum Ausdruck gebracht, dass ihm die Situation dieser Personen egal ist», schreibt die Gewerkschaft.
Als nächstes wird das Parlament über die Initiative beraten. Das letzte Wort hat das Volk.