Für rund 15'000 Kinder in der Schweiz bricht nach der Trennung der Eltern der Kontakt zu einem Elternteil ganz ab. Meist ist es der Kontakt zum Vater, obwohl regelmässige Besuche abgemacht sind.
So ging es auch Sandro Tufano: «Ja, ich bin quasi entsorgt worden», bilanziert er. Entsorgt als Vater nach der Trennung von seiner Frau vor fünf Jahren. Seine Tochter habe sich seither immer weiter von ihm entfernt. Die Kontakte seien seltener geworden. Das Mädchen ist inzwischen zehn Jahre alt, lebt bei der Mutter und ihrem neuen Partner.
Ja, ich bin quasi entsorgt worden.
Die Zeit habe gegen ihn und die Beziehung zur Tochter gearbeitet, sagt Tufano, der sich auch an die Behörden gewandt hatte: Auf pünktliche Überweisungen werde sehr geachtet. Doch dass Vater und Kind eine Bindung aufbauen könnten, haben nicht denselben Stellenwert, kritisiert er.
Tufano fordert deshalb ein beherzteres Eingreifen und Sanktionen, wenn vereinbarte Treffen nicht stattfinden könnten. Was für Behörden ein «unglücklich – kann vorkommen» bedeute, sei für Väter oft der Anfang vom Ende der Beziehung zum Kind.
Kritik an zögerlichen Behörden
Andreas Oppliger bestätigt beschwichtigendes Verhalten: «Dieser Zustand führte zu einem rechtsfreien Raum, und der Graben zwischen meinen Kindern und mir blieb bestehen.» Seine Trennung liegt zwölf Jahre zurück. Seit sechs Jahren hat er seine Kinder nicht mehr gesehen. Er wirft der Ex-Partnerin vor, sie habe die Verunsicherung und die Loyalitätskonflikte der Kinder noch verstärkt.
Wenn die Kinder die Spannung abbauen
Die Psychologin Sabine Brunner vom Marie Meierhofer Institut befasst sich mit getrennten Familien. Wenn die Eltern Spannungen nicht abbauten, versuchten es die Kinder: «Das Kind sieht, dass es nicht gut, stressig und belastend ist. Schon ganz kleine Kinder sind sehr findig, wie sie ihre Situation spannungsfreier gestalten können.» Ein möglicher Ausweg sei, sich vom getrennten Elternteil abzuwenden.
Schon ganz kleine Kinder sind sehr findig, wie sie ihre Situation spannungsfreier gestalten können.
In der Schweiz gibt es in über 18'000 Fällen Probleme mit dem Besuchsrecht. Da hilft ein Beistand. Oder sollte. Der Leiter der Kindes- und Erwachsenenschutz-Behörde Basel, Patrick Fassbind, stellt fest: «Das althergebrachte Modell mit einer Beistandschaft, die alle Probleme löst, hat sich auch als nicht wirksam herausgestellt.»
Frühzeitig für Kindeswohl sensibilisieren
Deshalb gehen die Basler Behörden einen anderen Weg und verpflichten seit ein paar Jahren trennungswillige Eltern früh zu einer obligatorischen Beratung: «Betont wird, dass die Lösung nicht beim Staat oder einem Beistand liegt. In dem Prozess wird den Eltern bewusst gemacht, dass sie Verantwortung übernehmen und das Kindeswohl ins Zentrum stellen müssen», erklärt Fassbind.
So lasse sich in den meisten Fällen verhindern, dass der Kontakt ganz abbreche, sagt Fassbind. Zahlen legt er keine vor, räumt aber ein: «Es funktioniert nur, wenn die Gespräche stattfinden, bevor die Gräben zwischen den Eltern zu tief sind.»
Es funktioniert nur, wenn die Gespräche stattfinden, bevor die Gräben zwischen den Eltern zu tief sind.
Das bestätigen die beiden Väter: «In unserem Fall kam die Mediation nach zwei Jahren Trennung zu spät, weil wir bereits an einem hoffnungslosen Punkt angekommen waren», sagt Oppliger. Nun schaut er nach vorne. Seine Türe stehe seinen Kindern immer offen. Tufano freut sich über sporadische Treffen mit seiner Tochter, die ein neuer Besuchsrecht-Beistand ermöglichte.
Am Basler Modell sind weitere Kantone interessiert. Neu will sich auch der Bund ein Bild vom Mediationsangebot machen.