Der 14-jährige Elias ist Autist. Heute lebt er bei seiner Familie. Von 2018 bis 2020 aber war er im Genfer Heim Foyer de Mancy. Seine Mutter Natascha Koutchoumov musste damals mitansehen, wie sich sein Zustand rapide verschlechterte. Als er aus dem Heim nach Hause kam, sei er extrem abgemagert gewesen und nur noch 30 Kilogramm schwer.
«Wenn Elias Schrei-Attacken hatte, wurde er im Heim oft in seinem Zimmer eingesperrt und kriegte kaum etwas zu essen. In meinen Augen völlig absurd, da er sowieso schon unterentwickelt war und zu wenig ass», erzählt die Mutter. Offensichtlich sei das Personal überfordert gewesen mit der Betreuung der autistischen Kinder, vermutet Koutchoumov. Wenn solche Kinder sich selbst überlassen würden ohne Struktur und Beschäftigung, dann komme es unweigerlich zu solchen Extremsituationen.
Personalmangel und Gewalt
Auch Elizabeth Albuquerques' Sohn Anthony lebte ein Jahr im selben Heim. Nach einigen Monaten wurde er immer aggressiver, musste mehrmals ins Spital und in psychiatrische Kliniken. Seine Mutter befürchtet, dass er missbraucht wurde.
Wenn ihr Sohn zu Hause aufgewacht sei und gesehen habe, dass er gepinkelt hatte, sei er immer ins Bad gerannt und habe sich zusammengekauert, als hätte er etwas falsch gemacht. Elizabeth Albuquerque erinnert sich: «Ich sagte ihm: Anthony, es ist nichts passiert, du hast gepinkelt, das ist nicht schlimm. Dann nahm er meine Hand, legte sie auf seinen Kopf und schrie: Dreckskerl!»
Wir haben wohl zu wenig schnell erkannt, dass das nicht nur Einzelfälle waren, sondern dass es ein generelles Problem gab in diesem Heim.»
Was geschah wirklich hinter den Mauern dieses Genfer Heims? Verschiedene Angestellte sagen gegenüber RTS, sie hätten sich immer wieder über den Personalmangel, die häufige Gewalt und die mangelhafte Infrastruktur beschwert.
Im Westschweizer Fernsehen RTS gestand die zuständige Genfer Staatsrätin Anne Emery-Torracinta am Dienstagabend ein, dass Fehler passiert sind. «Die Involvierten wollten es gut machen, haben es aber nicht geschafft. Es gab Missstände, aber wir haben wohl zu wenig schnell erkannt, dass das nicht nur Einzelfälle waren, sondern dass es ein generelles Problem gab in diesem Heim.»
Der Kanton hat eine Untersuchung angeordnet und den bisherigen Heimdirektor entlassen. Natascha Koutchoumov, die Mutter von Elias, ist sich nicht sicher, ob die eingeleiteten Massnahmen des Kantons genügen. Sie will deshalb Anzeige erstatten.