Ein Waldstück im Kanton Solothurn, eine Ausserortsstrecke, Höchstgeschwindigkeit 80 km/h. Töfffahrlehrer Reto Wüthrich steht in einer Kurve, filmt mit dem Handy seine Fahrschülerinnen und Fahrschüler.
Es ist ein obligatorischer Fahrkurs für Neulenker. Beim ersten Fahrer läuft alles gut, doch der zweite überschätzt sein Können – und fährt über die Wiese in den Wald. «Sie gehen zu schnell rein», sagt Reto Wüthrich. «Das ist das Hauptproblem. Zum Glück hat es hier noch ein wenig Platz.»
Gut sei das im Kurs passiert und nicht wenn der Fahrer alleine ist, sagt der Fahrlehrer. «Jetzt hat er es gelernt und es geschieht hoffentlich nicht mehr.» Das Ziel von Töfflehrer Wüthrich: Die Fahrsicherheit von Motorradfahrern verbessern – vor allem bei den 16- bis 18-Jährigen.
Verdreifachung der Unfälle
Die Entwicklung der Unfallzahlen in dieser Altersgruppe ist besorgniserregend. Laut Bundesamt für Strassen (Astra) hat sich seit 2021 die Zahl der Unfälle mit einem 125er-Motorrad bei 16- bis 18-Jährigen als Hauptverursacher fast verdreifacht – auf total 580. Zudem nimmt die Schwere der Unfälle zu: 2023 gab es bei mehr als 20 Prozent der Unfälle Schwerverletzte. Seit 2021 können bereits 16-Jährige mit einem Motorrad mit 125 Kubik Hubraum fahren. Eine Anpassung an die EU-Normen.
Im Fahrkurs von Reto Wüthrich sind zwei Fahrschüler 16 Jahre alt. «Ich habe keine Bedenken», sagt ein Fahrschüler zur Rundschau. Warum fährt er keinen 50er? «Weil der 125er schneller ist.»
«Sie dürfen auch auf die Autobahn, das ist gefährlich», sagt Fahrlehrer Wüthrich. «Mit 16 sind die Leute halt schon noch jung, unerfahren und übermütig und dann ist die Gefahr da, dass sie etwas Gefährliches machen und ihre Grenzen nicht kennen.»
«Zurück zum alten System»
Für die Verkehrssicherheit leisten Polizei und die Organisation für Verkehrssicherheit Roadcross vielerorts Prävention. Die Zielgruppe: 16- bis 18-Jährige, die sich eine leistungsstarke 125er-Maschine kaufen wollen. «Man sieht Jugendliche, die sehr betroffen sind, wenn sie Bilder eines konkreten Unfalls sehen», sagt Roadcross-Präsident Willi Wismer. «Wenn man nur Zahlen sieht, sagt das vielen nichts.»
Roadcross will wegen der vielen Unfälle zurück zum alten System. Also 125er-Töffs erst ab 18 Jahren. «Die meisten Fahrerinnen und Fahrer machen es gut, aber viele sind in diesem Alter risikofreudiger und sind sich der Gefahren nicht bewusst», sagt Wismer.
Mehr Motorräder, mehr Unfälle?
Die Töffimporteure argumentieren, die Zunahme bei den Unfällen hänge hauptsächlich mit dem Anstieg der zugelassenen Motorräder zusammen. Der Roadcross-Präsident entgegnet: «Wenn es die Kategorie nicht geben würde, dann hätte es auch nicht mehr Unfälle gegeben.»
Das zuständige Astra will sich nicht dazu äussern, ob es wegen der steigenden Unfallzahlen Massnahmen brauche. Nur: Die Entwicklung der Unfallzahlen bei Neulenkenden werde genau beobachet, aktuell laufe eine Analyse der Unfalldaten der Jahre 2021 bis 2023.
«Wir machen das für die Jungen»
Der Fahrkurs von Reto Wüthrich ist für heute zu Ende. Die Entwicklung der Unfälle mache ihm Sorgen: «Ich habe selber Kinder in diesem Alter.»
Er fragt: «Was sollen wir machen? Einfach das Töfffahren verbieten?» Der Fahrlehrer will sich weiterhin für die Sicherheit der Jungen einsetzen. «Die Motorradkurse sind zeitaufreibend und kosten Geld. Der Nutzen ist aber gross, weil es massgeblich um Verkehrssicherheit geht, was direkt und indirekt alle betrifft», sagt Reto der Fahrlehrer.