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Mit Blitzen gegen Krebs Forscherin: «Mit Flash-Strahlen gehen wir noch schonender vor»

Rund 40'000 Menschen erkranken jährlich in der Schweiz an Krebs. Immer mehr davon können geheilt werden. Am Paul Scherrer Institut (PSI) im Aargau forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun an einer neuen Therapie gegen Krebs. Mit der sogenannten Flash-Bestrahlung sollen Tumore gezielter bekämpft werden können, während umliegendes Gewebe intakt bleibt. Diese Therapie ginge noch weiter als die bisherige Protonenbestrahlung.

Mit der Flash-Bestrahlung - einer ultraschnellen, hoch dosierten Protonenbestrahlung - würden den Patientinnen und Patienten «viele Wochen an Behandlung erspart», schreibt das PSI und spricht von einer möglichen Revolution in der Krebstherapie. Bis die Therapie aber tatsächlich angewendet werden kann, gehe es noch lange, erklärt Forscherin Ulrike Kliebsch im Gespräch mit SRF.

Dr. Ulrike Kliebsch

Forschungskoordinatorin Paul Scherrer Institut

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Dr. Ulrike Kliebsch arbeitet seit acht Jahren am Zentrum für Protonentherapie des Paul Scherrer Instituts im aargauischen Villigen. Sie ist für die Koordination der Forschung verantwortlich.

SRF News: Das Zentrum für Protonentherapie am PSI hat Tests gemacht mit «Flash-Bestrahlungen» mit Protonen. Was ist das Ziel dieser Versuche?

Ulrike Kliebsch: Flash, englisch für Blitz, bedeutet eine sehr hohe Strahlendosis. Damit haben wir biologische Untersuchungen gemacht mit Protonenstrahlen, um damit vor allem die Wirkung auf gesundes Gewebe zu untersuchen. Die Hypothese ist, dass gesundes Gewebe durch eine Flash-Bestrahlung weniger belastet wird.

Wir stehen noch ganz am Anfang unserer Forschungsarbeiten.

Protonenstrahlen an sich sind bereits sehr schonend in Bezug auf gesundes Gewebe. Das heisst, sie können sehr präzise appliziert werden auf den Tumor, um diesen zu zerstören. Mit Flash versuch man nun, noch schonender vorzugehen, damit gesundes Gewebe um den Tumor herum noch weniger durch die Strahlen belastet wird. Wir stehen aber noch ganz am Anfang unserer Forschungsarbeiten.

Einschätzung durch SRF-Wissenschaftsredaktorin Irène Dietschi

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«Es könnte sich etwas Grosses abzeichnen, auch andere Forschungsteams sagen das. Solche am Unispital Lausanne oder am CERN in Genf. Sie rechnen mit einem grossen Sprung der Strahlentherapie. Nicht nur die Protonentherapie, auch die konventionelle Strahlentherapie, soll deutlich besser werden.

Die Forschung arbeitet mit Hochdruck an neuen Lösungen. Es dürfte allerdings noch mehrere Jahre dauern, bis die Flash-Therapie zu Patienten käme.

Im Rahmen eines Experiments wurde im Kanton Luzern allerdings schon ein Patient behandelt, sein Hautkrebs sei verschwunden».

Sie sagen, es sind biologische Tests. Die werden aber nicht an Menschen gemacht, oder?

Nein. Das ist ein übliches biologisches Modell, das in diesen Phasen der Forschung verwendet wird. Es sind Zebrafisch-Embryos, welche wenige Stunden nach der Befruchtung bestrahlt werden. Sie zählen noch als Zellen. Die Tests sehen bisher vielversprechend aus.

Sie haben es angesprochen: Man ist noch weit davon entfernt, dass diese Methode angewendet werden kann. Von welchem Zeithorizont sprechen Sie da?

Wir sprechen von Jahren, vielleicht sogar zehn Jahre, bis man es im klinischen Einsatz für Patienten verwenden kann. In Einzelfällen kann mit einer Sondergenehmigung ab und zu ein Patient behandelt werden. Um die Technik aber in der klinischen Routine einzusetzen, braucht es noch Jahre an Entwicklungsarbeit.

Das Gespräch führte Barbara Mathys.

Das ist das PSI

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Am Paul Scherrer Institut auf dem Gebiet der Aargauer Gemeinden Villigen und Würenlingen wird Grundlagenforschung und angewandte Forschung betrieben. Auf grossen Anlagen forschen Expertinnen und Experten in den Bereichen Material, Energie/Umwelt und Gesundheit. Am PSI steht zudem die einzige Anlage der Schweiz zur Krebsbehandlung mit Protonen.

Das Institut bezeichnet sich als «grösstes Forschungsinstitut für Natur- und Ingenieurwissenschaften» der Schweiz. Es beschäftigt 2100 Personen, das Jahresbudget von 400 Millionen Franken wird grösstenteils vom Bund finanziert. Das PSI entstand 1988 aus der Fusion des «Eidgenössischen Instituts für Reaktorforschung» und dem «Schweizerischen Institut für Nuklearforschung».

Rendez-Vous, 18.11.2020, 12.30 Uhr ; 

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