Das Schweizer Erbrecht ist über 100 Jahre alt, also eigentlich nicht mehr zeitgemäss: Denn wie Familie und Verwandtschaft bei der Gesetzgebung damals definiert wurden, entspricht nicht mehr der heutigen Zeit. Das neue Erbrecht soll den aktuellen vielfältigen Familienformen gerecht werden. Im Rat gab es allerdings auch kritische Stimmen. Die Revision gehe nicht weit genug. Bundesrätin Karin Keller-Sutter weist die Kritik zurück.
SRF News: Nach der Debatte im Ständerat – wird die Revision des Erbrechts mehr als ein Reförmchen?
Karin Keller-Sutter: Das Erbrecht, das sich in der Substanz bewährt hat, soll nicht über den Haufen geworfen werden. Das war von Anfang an so angedacht. Es soll lediglich die Verfügungsfreiheit des Erblassers vergrössert werden. Die Pflichtteile der Nachkommen sollen zu Gunsten des Ehegatten reduziert werden. Von daher bin ich zufrieden. Es war nie die Meinung, dass es eine grosse Reform gibt. Das Unternehmensnachfolgerecht wird ja dann noch separat kommen. Das wird ein grosser Brocken.
Es gab allerdings kritische Stimmen im Rat. Raphaël Comte sprach etwa von einer Reform des 20. Jahrhunderts. Auch andere zeigten sich enttäuscht, weil die faktischen Lebenspartner nicht stärker berücksichtigt wurden. Warum waren Sie mit Ihrem Vorschlag nicht mutiger?
Der Bundesrat hat eine Motion aus dem Parlament erfüllt – und diese hat Bedingungen gestellt. Die Motion wollte keine gesetzliche Regelung des Pflichtteils, beispielsweise bei der faktischen Lebenspartnerin oder dem faktischen Lebenspartner.
Dem Bundesrat ist es wichtig, dass der Friede innerhalb der Familie erhalten bleibt.
Der Bundesrat hat sich an die Bedingungen der Motion gehalten. Zudem hat sich das Erbrecht in der Schweiz insgesamt bewährt. Es ist auch wichtig für den Bundesrat, dass der Friede innerhalb der Familie erhalten bleibt und man kein Erbrecht schafft, das zu Streitigkeiten führt.
Der grosse Diskussionspunkt war, dass faktische Lebenspartner in gewissen sozialen Situationen einen Anspruch auf Unterstützung anmelden können. Der Ständerat hat das abgelehnt. Wie wollen Sie nun den Nationalrat davon überzeugen?
Das Konzept wurde als mangelhaft kritisiert, und ich habe offen gesagt: Es ist nicht das Ei des Kolumbus. Ich bin offen dafür, das auch im Nationalrat noch einmal genau anzuschauen und allenfalls Korrekturen entgegenzunehmen. Ob das im Nationalrat mehrheitsfähig sein wird, wird sich weisen. Es ist der Versuch des Bundesrates, Härtefälle abzufedern. Letztlich entscheidet das Parlament, ob es das will oder nicht.
Der Bundesrat glaubt aber, dass das notwendig ist?
Es kann in Einzelfällen notwendig sein. Es geht um Fälle, bei denen eine Person über fünf Jahre mit einer anderen zusammengelebt hat und in dieser Zeit nicht erwerbstätig sein konnte. Etwa, weil sie Pflegeaufgaben erfüllt oder Kinder betreut hat. Durch den Tod des Partners ergab sich dann eine finanzielle Notlage.
Das Gespräch führte Oliver Washington.