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Das Interview mit Bundespräsident Ueli Maurer
Aus 10 vor 10 vom 22.01.2019.
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Mögliche EU-Sanktionen «Das widerspricht uns schon seit dem Gesslerhut»

Die Schweiz am WEF – da ist vor allem einer gefragt: Der Schweizer Bundespräsident. Schliesslich wird 2019 ein ganz entscheidendes Jahr, etwa was die Beziehungen zur EU angeht. Das wollten wir vertiefen, mit einem ausführlichen Gespräch mit Ueli Maurer.

Ueli Maurer

Ueli Maurer

Alt-Bundesrat

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Ueli Maurer ist 1950 geboren. Er erwarb das eidgenössische Buchhalterdiplom und war von 1994 bis 2008 Geschäftsführer des Zürcher Bauernverbandes. Bis Ende 2008 war er auch Präsident des Verbandes Schweizerischer Gemüseproduzenten und des Schweizer Maschinenrings. Zudem war Maurer von 1996 bis 2008 Präsident der SVP Schweiz. Von 1991 bis zu seiner Wahl in den Bundesrat war er Nationalrat. Der SVP-Politiker war von 2009 bis 2022 Bundesrat, bis 2016 Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) und danach Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD).

SRF News: Als Bundespräsident spielen Sie dieses Jahr die Schlüsselrolle beim institutionellen Rahmenabkommen mit der EU. Beginnen wir mit Ihrer Position dazu: Ja oder Nein?

Ueli Maurer: Weder noch. Wir machen eine Konsultation. Das heisst, wir fragen die Leute, was Sie meinen. Und dann schauen wir, was wir machen. Momentan ist das Abkommen nicht mehrheitsfähig, auch für mich nicht, also müssen wir wieder das Gespräch suchen und ein paar Punkte ausdiskutieren und präzisieren.

Wenn wir nicht gehorchen, gibt es Sanktionen. Das widerspricht uns schon seit dem Gesslerhut.

Sie haben gesagt, die Schweiz profitiere zu wenig von diesem Abkommen. Welche Punkte stört Sie am meisten?

Es sind zwei Punkte, die in der Diskussion aufkommen werden. Das eine ist die Unionsbürgerrichtlinie, wo wir schon sehr viele Dinge übernehmen müssten. Das ist das eine – nicht mehrheitsfähig! Das zweite ist immer noch, dass ein EU-Gericht sagt, was wir machen und wenn wir nicht gehorchen, gibt es Sanktionen. Das widerspricht uns schon seit dem Gesslerhut.

Wir müssen die Freude zeigen, die wir an diesem Land haben und nach aussen tragen. Das beginnt beim Bundesrat.

Sie haben kürzlich den Bundesrat kritisiert: Er zeige zu wenig Leadership und habe keine Visionen. Warum haben Sie in den Angriffsmodus gewechselt?

Das ist doch kein Angriffsmodus, das ist Selbstkritik.

Da schliessen Sie sich mit ein?

Selbstverständlich, ja! Wenn wir nicht mehr selbstkritisch sind, versagen wir. Wir haben die Tendenz, wenn alles läuft, kommt man in einen Schlafmodus, böse gesagt. Aber wir haben so ein gutes Land. Wir müssen das gut verkaufen. Wir müssen das zeigen, wir müssen die Freude zeigen, die wir an diesem Land haben und diese Freude nach aussen tragen. Das beginnt oben beim Bundesrat.

Und das können wir und müssen wir besser machen. Ich finde, wenn man eine so gute Ausgangsposition hat, dann muss das ausstrahlen. Ich bin so leidenschaftlich für diese Schweiz. Das müssen die Leute spüren. Hey, da ist jemand mit Leidenschaft. Der hat das Land gern und uns. Das muss der Bundesrat noch besser rüber bringen. Alle übrigens, nicht nur der Bundesrat.

Aber Sie waren so viele Jahre im Bundesrat, haben Sie es denn nicht geschafft, diese Leidenschaft nach aussen zu vermitteln?

Nein, man hat manchmal selber Hemmungen und denkt, ja Regierung, ja schon etwas Schwieriges, und die Last, die man hat. Aber es ist eine falsche Einstellung. Man muss vorwärts machen und die Schweiz gut verkaufen und verbessern.

Wir werden eine Lösung finden. Nicht in diesem Jahr, aber in diesem Jahrhundert.

Zurück zum Rahmenabkommen: Sie sagten, es brauche in wesentlichen Nachbesserungen. Dann relativierten Sie, man müsse das Gespräch nochmals aufnehmen. Aber für die EU ist das vorliegende Abkommen definitiv. Streuen Sie hier den Bürgern nicht Sand in die Augen?

In der Politik ist fast nichts definitiv. Es gibt immer einen anderen Weg oder ein Gespräch. Hier ist der Bundesrat gefordert und auch das Parlament, zum Sagen, wo man noch das Gespräch suchen muss. Vielleicht ist Nachverhandeln im Zusammenhang mit dem Brexit nicht gerade das Wort, das man braucht.

Aber dass man das Gespräch nochmals suchen muss, steht ausser Zweifel, sonst fahren wir das Abkommen an die Wand. Denn am Ende des Tages brauchen wir ein gutes Verhältnis mit der EU und sie genauso mit uns. Also werden wir einen Weg finden und eine Lösung finden. Nicht in diesem Jahr, aber in diesem Jahrhundert.

Definitiv ist nie etwas. Selbst dann nicht, wenn es von Brüssel kommt.

Aber Brüssel war deutlich: Dieses Abkommen oder keines. Immerhin hat man jahrelang verhandelt. Wie kommt es zu dieser diametral anderen Wahrnehmung der Situation?

Es ist ja klar, die EU steht in Brexit-Verhandlungen. Jetzt haben sie mal abgeschlossen. Das kann man akzeptieren, jetzt muss man analysieren und dann wird die EU auch akzeptieren, wenn wir sagen, über diesen Punkt wollen wir nochmals reden. So ist das Leben: Definitiv ist nie etwas. Selbst dann nicht, wenn es von Brüssel kommt.

Wir sind Partner, die aufeinander angewiesen sind. Nur wegen ein bisschen Bürokratie stecken wir den Kopf nicht in den Sand.

Aber wie ungemütlich könnte es für die Schweiz werden ohne das Rahmenabkommen?

Ich glaube nicht, dass es sehr ungemütlich wird, weil wir Partner sind, die aufeinander angewiesen sind. Seit Jahrhunderten geschäften wir im Alpenraum, seit Jahrhunderten bestehen die Beziehungen. Nur wegen ein bisschen Bürokratie stecken wir den Kopf nicht in den Sand.

Aber die EU hat ja viele Möglichkeiten von Nadelstichen gegen die Schweiz. Sie kann etwa auf die volle Anerkennung der Schweizer Börsenregulierung verzichten. Beunruhigt Sie das überhaupt nicht?

Ehrlich gesagt, eigentlich nicht, das Spielfeld ist abgesteckt. Jetzt bewegen wir uns drin und suchen Lösungen. Die Welt hört nicht auf Ende des Monats, die geht immer weiter. Ich bin eigentlich zuversichtlich.

Sie waren seit 1992 eine Galionsfigur der EU-Kritiker in den schärfsten Tönen und ausgerechnet Sie sagen, wir brauchen eine Lösung in diesem EU-Dossier. Kommt Ihnen das nicht komisch vor?

Überhaupt nicht! Wir haben schon damals eine Lösung gebraucht. 1992, nach dem Nein zum EWR hat die Lösung bilaterale Verträge geheissen. Und immer unter Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz. Das ist auch der rote Faden für die Zukunft, die Unabhängigkeit der Schweiz muss gewahrt werden und wenn das die rote Linie ist, sind Lösungen links und rechts möglich. Denn wir wollen auch keinen Streit mit unseren Nachbarn. (...) Ich bin immer noch für eine unabhängige selbständige Schweiz. Das ist mein Credo, damit gehe ich in alle Gespräche.

Das Gespräch führte Susanne Wille.

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