Für einmal sind es keine Kuratorinnen oder Kunsthistoriker, die Besucherinnen und Besucher durchs Schaffhauser Museum zu Allerheiligen führen. Es sind Flüchtlinge. Flüchtlinge wie Sherin Abdulhannan aus Syrien und Hemen Saidpur aus Kurdistan/Iran.
Am Samstag gilt es für sie ernst, dann führen sie zum ersten Mal Flüchtlinge aber auch Einheimische durchs Museum in der ehemaligen Klosteranlage. Das braucht Mut. Die beiden haben ihn aufgebracht: «Man lernt etwas, dass man nicht im Deutschkurs lernen kann», sagt Hemen Saidpur. Und Sherin Abdulhannan wünschte sich, dass es mehr solche Möglichkeiten für Flüchtlinge geben würde: «Es ist wunderbar, es hilft mir auch mit der Sprache.»
Die ungewöhnlichen Führer zeigen auf ihren Rundgängen Objekte, die ihnen speziell aufgefallen sind. Immer wieder stossen sie dabei auf Dinge, die Erinnerungen an die Heimat wecken, sei es eine antike Handmühle oder Tonkrüge und Vasen aus der frühen Besiedlungsgeschichte der Region Schaffhausen. Es sind Objekte, die sich zu völlig unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlichen Gegenden der Welt entwickelt haben.
«Wie ist das möglich?», fragt sich Hemen Saidpur. Und nicht nur er. Es seien genau solche spannende Fragen, welche miteinander diskutiert werden könnten, sagt Bettina Bussinger: «Das bringt uns als Menschen einander näher», ist sie überzeugt. Der Austausch über diese ausgewählten Objekte sei wahnsinnig bereichernd für alle.
Gefragte Guides im Historischen Museum Bern
Im Historischen Museum Bern sind Flüchtlinge schon seit über einem Jahr als Tourguides unterwegs und führen Besucherinnen und Besucher durch die Ausstellungen. «Das Angebot ist sehr beliebt», sagt Sprecherin Merja Rinderli auf Anfrage von Radio SRF. Es sei sogar so erfolgreich, dass ab Mitte Juli fünf neue Guides dazu gekommen seien – trotz widriger Umstände durch die Corona-Pandemie.
Eine von ihnen ist Dolmetscherin Halima Jemai aus Tunesien. Auf ihrem Rundgang spricht sie über das Verhältnis von Macht und Geschlecht in Tunesien und der Schweiz. Dabei lernen die Besucherinnen und Besucher einerseits die tunesische Kultur kennen, hinterfragen aber auch die eigenen Vorstellungen der Rollen von Mann und Frau.
Der direkte Kontakt zu den Flüchtlingen wird sehr geschätzt.
Diese und andere Führungen seien eine nicht alltägliche Erfahrung, die geschätzt werde, sagt Merja Rinderli, «denn wer hat sonst schon direkten Kontakt zu Flüchtlingen?» Ausserdem erhielten altbekannte, seit Jahren ausgestellte Objekte durch den fremden Blick eine neue Bedeutung – oder – wie auf der Tour mit Halima Jemai – werden die eigenen Vorstellungen gespiegelt und neu bewertet.
Auch in Schaffhausen soll es nicht bei einem einmaligen Anlass bleiben. Geplant ist, dass die Führungen zu einem festen Angebot des Museums zu Allerheiligen werden.