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Museumspionier Alfred Waldis Wie ein Selfmade-Man zum «Mr. Verkehrshaus» wurde

Vom Bähnler zum innovativen Museumsleiter: Eine neue Biografie zeichnet die Tellerwäscher-Karriere des ersten Verkehrshaus-Direktors Alfred Waldis nach.

Dass im Luzerner Verkehrshaus andere Regeln galten als in Museen sonst üblich, merkten die Besucherinnen und Besucher bereits am 1. Juli 1959, dem Tag der Eröffnung. «Da war nichts Verstaubtes, keine Objekte, die man einfach ehrfurchtsvoll bestaunen sollte», sagt Trudi von Fellenberg-Bitzi. «Im Gegenteil: Die Besucher wurden ermuntert, die ausgestellten Loks zu fotografieren, sie anzufassen.»

Eine Gruppe Pfadfinder steigt 1959 auf eine Dampflok, die im Verkehrshaus ausgestellt ist.
Legende: Ein Dampfross zum anfassen: Pfadfinder klettern im Juli 1959 auf eine Lokomotive G3/4 der SBB, die zur Veranschaulichung der Technik längs aufgeschnitten ist. Keystone

Das sei die Handschrift von Alfred Waldis gewesen, sagt von Fellenberg-Bitzi. Die Journalistin hat über den 2013 verstorbenen ersten Direktor des Verkehrshauses soeben das Buch «Alles was rollt, schwimmt und fliegt» veröffentlicht. Sie kommt zum Schluss: «Er schuf ein interaktives Museum, als es diesen Begriff noch gar nicht gab.»

Und dies mit Erfolg: Statt der erwarteten 50'000 Eintritte verzeichnete das Verkehrshaus im ersten Jahr rund 230'000 Besuchende. Bis heute ist es mit jährlich über einer halben Million Eintritten das populärste Museum der Schweiz.

Kinder besuchen die Luftfahrthalle des Verkehrhauses.
Legende: Über eine halbe Million Besuchende jedes Jahr: Das Verkehrshaus ist seit seiner Eröffnung 1959 das meistbesuchte Museum der Schweiz. Keystone

Dass allerdings ausgerechnet Alfred Waldis dem Verkehrshaus zu seinem Höhenflug verhalf, klingt aus heutiger Sicht erstaunlich.

Vom Bähnler zum Museumsleiter

Denn eigentlich hätte Waldis Pilot werden wollen. Dieser Traum scheiterte an den finanziellen Möglichkeiten seiner Familie – also wurde er Bähnler, stieg 1937 als Stationslehrling bei der SBB ein, arbeitete sich hoch, ins Fahrplanbüro, dann in den Rechtsdienst.

Ende 1956 traf er auf dem Weg nach Bern zufällig den Luzerner Stadtpräsidenten Paul Kopp, der einst sein Lehrer gewesen war. Kopp erzählte dem 37-Jährigen, es sei noch immer ein Leiter für das geplante Verkehrshaus gesucht. Die Stelle würde ihn interessieren, entgegnete Waldis. Noch am selben Tag hatte er den Job - ohne Bewerbungsdossier, ohne Vorstellungsgespräch.

Verkehrshaus hätte in Zürich gebaut werden sollen

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Die Idee für das Verkehrshaus ging aus dem Eisenbahnmuseum hervor, das 1918 in Zürich eröffnet worden war. Ein 1942 gegründeter Verein wollte ein Museum schaffen, in dem auch andere Verkehrsmittel ihren Platz hätten – mit am Bord waren SBB und PTT, aber auch Privatbahnen und grosse Unternehmen aus Handel, Industrie und Tourismus.

Als mögliche Standorte für das neue Verkehrshaus standen die Stadt Zürich, Wollishofen oder Kloten zur Debatte; der Verein fand jedoch kein geeignetes Areal. Auf Anregung der Luzerner Stadtregierung verlegte der Verein 1950 seinen Sitz nach Luzern, um das Museum dort bauen zu lassen, auf einem 20'000 Quadratmeter grossen Stück Land direkt am Vierwaldstättersee.

Die Bauarbeiten begannen 1957, finanziell unterstützt von SBB, PTT, dem Bund sowie der Stadt und dem Kanton Luzern.

Ganz so erstaunlich sei Waldis' Wahl aber nicht gewesen, sagt Trudi von Fellenberg-Bitzi: «Treibende Kraft hinter dem Verkehrshaus war die SBB, und dort war er bekannt. Er galt als initiativ, als kreativer Kopf, als guter Kommunikator.»

Porträtaufnahme von Alfred Waldis aus dem Jahr 1958
Legende: Vielsprachig, wissbegierig, den Kopf voller guter Ideen: Verkehrshaus-Direktor Alfred Waldis während des Baus des neuen Museums 1958. Keystone

Auch der Luzerner Bevölkerung sei er ein Begriff gewesen, als Verfasser von Reisereportagen und von Vorträgen, die er über fremde Länder hielt. «Ausserdem war er ein begnadeter Netzwerker, er kannte unglaublich viele Leute», sagt seine Biografin.

Raumfahrer aus Ost und West in Luzern

Dieses Netzwerk kam auch dem Verkehrshaus zugute, etwa während des Weltall-Fiebers der 1960er-Jahre. «Alfred Waldis wollte ein Museum, das offen ist für die Zukunft», sagt seine Biografin. «Für ihn war klar, dass die Raumfahrt Platz im Verkehrshaus haben sollte.»

Alfred Waldis wollte ein Museum, das offen ist für die Zukunft.
Autor: Trudi Fellenberg-Bitzi Journalistin und Autorin

Diesen Platz erhielt sie, auch dank Waldis' Kontakten zur US-Raumfahrtbehörde NASA. Waldis brachte Ausstellungsstücke und Prominenz ins Verkehrshaus: regelmässig waren US-Astronauten zu Gast, aber auch Kosmonauten der UdSSR.

Alfred Waldis blieb bis 1979 Direktor des Verkehrshauses, weibelte aber auch danach noch fürs Museum; «Mr. Verkehrshaus» nannten ihn die Medien. 2013 starb er 93-jährig in Luzern.

Seine Biografin Trudi von Fellenberg-Bitzi hat ihn persönlich nie kennengelernt. Sie durchforstete für ihr Buch aber Waldis' Privatarchiv, sprach mit Weggefährten und ehemaligen Mitarbeitenden.

Alfred Waldis 2005 vor einer Kutsche in der Luzerner Altstadt.
Legende: Den Titel «Mr. Verkehrshaus» wurde er nie mehr los: Alfred Waldis 2005, als er das Ehrenbürgerrecht der Stadt Luzern erhielt. Keystone

Sie habe dabei einen faszinierenden Selfmade-Man kennengelernt, sagt sie. «Manchmal vielleicht etwas pingelig – aber immer ein Visionär, getrieben vom Drang, sich neues Wissen anzueignen.»

SRF 1, Regionaljournal Zentralschweiz, 19.06.2022, 17:30 Uhr ; 

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