Dass im Luzerner Verkehrshaus andere Regeln galten als in Museen sonst üblich, merkten die Besucherinnen und Besucher bereits am 1. Juli 1959, dem Tag der Eröffnung. «Da war nichts Verstaubtes, keine Objekte, die man einfach ehrfurchtsvoll bestaunen sollte», sagt Trudi von Fellenberg-Bitzi. «Im Gegenteil: Die Besucher wurden ermuntert, die ausgestellten Loks zu fotografieren, sie anzufassen.»
Das sei die Handschrift von Alfred Waldis gewesen, sagt von Fellenberg-Bitzi. Die Journalistin hat über den 2013 verstorbenen ersten Direktor des Verkehrshauses soeben das Buch «Alles was rollt, schwimmt und fliegt» veröffentlicht. Sie kommt zum Schluss: «Er schuf ein interaktives Museum, als es diesen Begriff noch gar nicht gab.»
Und dies mit Erfolg: Statt der erwarteten 50'000 Eintritte verzeichnete das Verkehrshaus im ersten Jahr rund 230'000 Besuchende. Bis heute ist es mit jährlich über einer halben Million Eintritten das populärste Museum der Schweiz.
Dass allerdings ausgerechnet Alfred Waldis dem Verkehrshaus zu seinem Höhenflug verhalf, klingt aus heutiger Sicht erstaunlich.
Vom Bähnler zum Museumsleiter
Denn eigentlich hätte Waldis Pilot werden wollen. Dieser Traum scheiterte an den finanziellen Möglichkeiten seiner Familie – also wurde er Bähnler, stieg 1937 als Stationslehrling bei der SBB ein, arbeitete sich hoch, ins Fahrplanbüro, dann in den Rechtsdienst.
Ende 1956 traf er auf dem Weg nach Bern zufällig den Luzerner Stadtpräsidenten Paul Kopp, der einst sein Lehrer gewesen war. Kopp erzählte dem 37-Jährigen, es sei noch immer ein Leiter für das geplante Verkehrshaus gesucht. Die Stelle würde ihn interessieren, entgegnete Waldis. Noch am selben Tag hatte er den Job - ohne Bewerbungsdossier, ohne Vorstellungsgespräch.
Ganz so erstaunlich sei Waldis' Wahl aber nicht gewesen, sagt Trudi von Fellenberg-Bitzi: «Treibende Kraft hinter dem Verkehrshaus war die SBB, und dort war er bekannt. Er galt als initiativ, als kreativer Kopf, als guter Kommunikator.»
Auch der Luzerner Bevölkerung sei er ein Begriff gewesen, als Verfasser von Reisereportagen und von Vorträgen, die er über fremde Länder hielt. «Ausserdem war er ein begnadeter Netzwerker, er kannte unglaublich viele Leute», sagt seine Biografin.
Raumfahrer aus Ost und West in Luzern
Dieses Netzwerk kam auch dem Verkehrshaus zugute, etwa während des Weltall-Fiebers der 1960er-Jahre. «Alfred Waldis wollte ein Museum, das offen ist für die Zukunft», sagt seine Biografin. «Für ihn war klar, dass die Raumfahrt Platz im Verkehrshaus haben sollte.»
Alfred Waldis wollte ein Museum, das offen ist für die Zukunft.
Diesen Platz erhielt sie, auch dank Waldis' Kontakten zur US-Raumfahrtbehörde NASA. Waldis brachte Ausstellungsstücke und Prominenz ins Verkehrshaus: regelmässig waren US-Astronauten zu Gast, aber auch Kosmonauten der UdSSR.
Alfred Waldis blieb bis 1979 Direktor des Verkehrshauses, weibelte aber auch danach noch fürs Museum; «Mr. Verkehrshaus» nannten ihn die Medien. 2013 starb er 93-jährig in Luzern.
Seine Biografin Trudi von Fellenberg-Bitzi hat ihn persönlich nie kennengelernt. Sie durchforstete für ihr Buch aber Waldis' Privatarchiv, sprach mit Weggefährten und ehemaligen Mitarbeitenden.
Sie habe dabei einen faszinierenden Selfmade-Man kennengelernt, sagt sie. «Manchmal vielleicht etwas pingelig – aber immer ein Visionär, getrieben vom Drang, sich neues Wissen anzueignen.»