Der grosse Schlussverkauf ist vorbei. Wo vor ein paar Tagen Stammkunden und Schnäppchenjägerinnen durch die Regale stöberten, herrscht triste Abschiedsstimmung. Regale liegen zerlegt am Boden, übrig gebliebene Ware ist in Säcke und Kisten verpackt.
Mittendrin steht Hans Schubiger, der in der fünften Generation das Kaufhaus in Näfels geführt hat und montiert mit einem Akkuschrauber Paneele von der Wand.
An machen Tagen ist einem zum Heulen zumute.
Dass er das Familienunternehmen nach 141 Jahren schliessen muss, fällt ihm sichtlich schwer. «Es sind gemischte Gefühle», sagt Hans Schubiger. «An manchen Tagen ist einem einfach nur zum Heulen zumute.» Für Schubiger ist klar, dass es keinen Weg an der Schliessung vorbei gab.
«Die grossen Detailhändler boten vor allem bei Spielwaren hohe Rabatte von 30 Prozent», erklärt er. «Da konnten wir als kleiner Fachmarkt nicht mithalten.» Die Spielwaren machten bei Schubiger rund die Hälfte des Umsatzes aus. So musste er der Realität ins Auge blicken und einen Schlussstrich ziehen.
Familienbetrieb in fünfter Generation
Mit dem Kaufhaus Schubiger verliert Näfels GL eines der ältesten Ladegeschäfte. 1883 war das Geburtsjahr des Familienunternehmens. Damals kauften Gallus und Anna Maria Schubiger ein Wohnhaus und eröffneten den Bazar Schubiger. Nachzulesen ist das im Buch «Leben für den Laden» des Somedia-Verlags, in dem die Journalistin Gabi Heussi die Geschichte verschiedener Glarnern Geschäfte niedergeschrieben hat.
Schon damals gab es im Kaufhaus allerlei zu kaufen. Alles, was die Glarnerinnen und Glarner im Alltag brauchten – ausser Salz. Das wurde in den Salzwaagen gekauft, die dafür ein eigentliches Monopol besassen. Knapp 20 Jahre später bezog das Familienunternehmen den heutigen Standort im Ortsteil von Glarus Nord – ein Ziegelbau mit zwei grossen Schaufenstern.
Nach der Schliessung wird aufgeräumt
Im Januar 2014 übernahm Hans Schubiger in der fünften Generation die Leitung des Warenhauses. Nebenbei ist Schubiger auch politisch aktiv als Präsident der Glarner Kantonalpartei «Die Mitte», für die er im Landrat des Kantons Glarus politisiert.
Seit dieser Woche ist das Kaufhaus zu. In den nächsten Tagen ist Schubiger noch mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Danach kehrt er der Detailhandelsbranche den Rücken zu – und auch der Selbstständigkeit. Im August startet Hans Schubiger als Angestellter in eine neue Tätigkeit.
In den nächsten Tagen soll der Vertrag mit dem neuen Eigentümer unterschrieben werden. Was für ein Geschäft in die Räumlichkeiten einzieht, will Schubiger nicht verraten. Nur so viel: «Für mich ist es wichtig, dass hier auch künftig ein lokales Gewerbe Platz findet.»
Stationäre Ladengeschäfte erleben Renaissance
Wie dem Warenhaus Schubiger erging es in den letzten Jahren vielen anderen Läden in der Schweiz. Laut den Zahlen des Marktforschungsinstituts CRIF sind in der Schweiz zwischen 2009 und 2019 fast 32'000 Läden verschwunden – trotz Bevölkerungswachstum. Die Corona-Pandemie trieb noch mehr Kunden weg vom stationären, hin zum Online-Handel und verschärfte die Situation.
Jetzt scheint sich das Blatt wieder zu wenden: Laut einer Studie der Universität St. Gallen erleben die stationären Ladengeschäfte eine Renaissance. Demnach kaufen in der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) die Menschen wieder häufiger vor Ort ein, als online. Für das Familienunternehmen Schubiger kommt die Trendwende jedoch zu spät.