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Nach Bluttat in Graz Wie schützen sich Schweizer Schulen vor Amoktaten?

Amoktaten sind auch an Schweizer Schulen ein Thema. Bisher blieb die Schweiz von solchen Taten verschont, es blieb bei Drohungen und Fehlalarmen. Man ist aber darauf vorbereitet und verfügt über Notfallpläne.

Die Bluttat am Dienstagmorgen in einem Gymnasium in Graz hat Österreich erschüttert. Beim Täter handelt es sich laut Behörden um einen 21-jährigen Ex-Schüler des Gymnasiums, der nach der Tat Suizid beging. Zum genauen Tatablauf und einem möglichen Motiv werde derzeit noch ermittelt. Die Polizei bestätigte mittlerweile, dass elf Menschen ums Leben gekommen sind. Weiter seien elf Personen verletzt worden, ihr Zustand sei aktuell stabil.

Kerzen und Blumen stehen neben einem Zaun. Im Hintergrund ist eine Rennbahn und ein Schulgebäude erkennbar.
Legende: Die Trauernden stellen Kerzen und Blumen vor die Grazer Schule. Wie gut sind Schweizer Schulen gegen eine derartig brutale Tat gewappnet? Keystone / ERWIN SCHERIAU

Auch in der Schweiz stellt sich die Frage, wie gut Schulen auf einen solchen Fall vorbereitet sind, was dagegen unternommen werden kann und wie sich Lehrerinnen und Schüler in solchen Fällen verhalten sollen.

«Eine Schule verfügt im Normalfall über ein Notfallkonzept, das in solchen Krisensituationen zum Einsatz kommt», sagt Thomas Minder, Präsident des Verbands der Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz. In diesem Konzept werden verschiedene Krisensituationen beschrieben – von sexuellen Übergriffen über Brände bis hin zu Amok. Darin enthalten sind auch entsprechende Handlungs- und Verhaltensanweisungen.

Rasch und richtig reagieren

Das Wichtigste bei einer solchen Krise ist, möglichst rasch reagieren zu können und dann auch schnell richtig zu handeln. Wie die Schule ihre Lehrpersonen auf eine solche Krise vorbereitet, ist von Schule zu Schule verschieden. Wichtig zu wissen ist aber, dass es einen Notfallplan gibt, um in Krisen richtig handeln zu können. Klare und konkrete Formulierungen seien bei einem solchen Konzept massgebend, um rasch adäquat reagieren und handeln zu können, so Minder.

Fallbeispiel der Prävention an einer Schule in Sulgen TG

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Der Fall in Graz bewegt auch den Schulleiter der Sekundarschule Sulgen TG, Magnus Jung. «Wir haben Handlungsfelder definiert, die uns auf ein solches Ereignis vorbereiten.»

Für die Schulen im Thurgau gibt es einen Grundleitfaden, das Sicherheitskonzept Schulen Thurgau. «Darin geht es grundsätzlich um die allgemeine Sicherheit in der Schule, etwa bei Unfällen oder Suiziden», erklärt Jung. Inhaltlich stehen darin Rahmenkonzepte, die auf die jeweilige Schule angewendet werden können.

Konkret bei Amokläufen lautet die erste Sicherheitsregel: Ruhe bewahren. Alle weiteren Handlungsabläufe wurden mit den Lehrpersonen besprochen und eingeübt, erklärt Jung: «Einerseits hat die Schulleitung die Möglichkeit, entsprechende Kurse und Weiterbildungen zu besuchen. Andererseits werden die Lehrpersonen an unserer Schule – egal in welchem Kontext – auf die Sicherheit sensibilisiert.»

Konkret für Amokfälle finden aber keine Übungen statt. «Es ist nicht geschickt, solche Übungen durchzuführen, sondern es sollte vielmehr dahin gehen, solche Vorfälle im Voraus verhindern zu können.» Beispielsweise sollte mit den Schülerinnen und Schülern grundsätzlich über dieses Verhalten diskutiert werden, ist Jung überzeugt. Allen Schülerinnen und Schülern solle so das Gefühl gegeben werden, dass sie gesehen werden.

«Man soll selber handlungsfähig sein, gleichzeitig aber auch wissen, wen man mit einbeziehen soll», so Minder. «Konkret in einem Amokfall ist es für Lehrpersonen beispielsweise wichtig zu wissen, dass sie sich irgendwo einschliessen und nicht auf den Gang flüchten sollen. Man sollte sich ruhig verhalten und erst unter Aufsicht der Polizei rausgehen», erklärt Minder weiter.

Verschiedene Krisen verlangen verschiedene Interventionen. Bei einer solch starken Gewaltausübung wie einem Amokfall sei es notwendig, die Polizei hinzuzuziehen, sagt Minder. Teilweise käme auch ein Care-Team aus Schulpsychologinnen zum Einsatz, oder die Feuerwehr, Sanitäter und die Opferhilfe. Wer alles einbezogen werden muss, ist ebenfalls Teil des Notfallplans.

Frühwarnsignale bei Amok erkennen

Solche Notfallkonzepte für Schulen in der Schweiz sind kantonal geregelt. Im Merkblatt für Amokdrohungen in Schulen des Kantons Luzern etwa steht, dass die Sensibilität für Gewaltabsichten von Schülerinnen und Schülern erhöht werden muss.

Demnach gibt es gewisse Frühwarnsignale bei Jugendlichen, beispielsweise auf Ebene der Kommunikation, des Verhaltens, der Psyche oder der Persönlichkeit. Würden solche Risikofaktoren erkannt, müsse die Schule das Gespräch mit den Jugendlichen sowie deren Erziehungsberechtigten suchen und allenfalls weitere Schritte zur Prävention einleiten.

Generell gilt es, jede Drohung ernst zu nehmen. Denn eine Früherkennung, ein sogenanntes «Leaking», ist essenziell. Bei allen bisherigen Amokläufen und -drohungen konnte nachträglich nachgewiesen werden, dass die Täterinnen oder Täter ihre Tat im Voraus genau geplant hatten. Teilweise teilten sie diese auch im Voraus mit, auf direkte oder verschlüsselte Art und Weise.

Tagesschau, 11.6.2024, 19:30 Uhr ; 

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