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Thomas Greminger: «Genfer Gipfel hat den Appetit auf Dialog verstärkt»
Aus Echo der Zeit vom 24.11.2021. Bild: Keystone
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Nach dem Gipfeltreffen in Genf Die Schweiz als Brückenbauerin zwischen Moskau und Washington

Das hauptsächlich vom Bund finanzierte Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik GCSP sieht sich als Dialogplattform zwischen Russland und den USA. Das hat auch mit seinem neuen Direktor, Botschafter Thomas Greminger, zu tun. Er war zuvor Generalsekretär der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa OSZE, die eine Schlüsselrolle im Ost-West-Dialog spielt.

Thomas Greminger

Thomas Greminger

Direktor des Genfer Zentrums für Sicherheitspolitik

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Thomas Greminger ist ein Schweizer Diplomat. Von 2004 bis 2010 leitete er die Abteilung für menschliche Sicherheit im Eidgenössischen Aussendepartement. Anschliessend war er von 2017 bis 2020 Generalsekretär der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und führte Verhandlungen im Ukraine-Konflikt. Seit Mai 2021 ist er Direktor des Genfer Zentrums für Sicherheitspolitik. Er ist Generalstabsoffizier der Schweizer Armee (Oberstleutnant).

SRF News: Gut fünf Monate sind vergangen seit dem Genfer Gipfeltreffen zwischen den beiden Staatschefs Joe Biden und Wladimir Putin. Was bleibt von dem Moment?

Thomas Greminger: Der Gipfel hat Impulse ausgesandt. Eine ganz konkrete Folge ist der Stabilitätsdialog, mit dem nun Russen und Amerikaner hier in Genf begonnen haben. Es ist sehr wichtig, dass die beiden Mächte wieder miteinander sprechen und grosse strategische Fragen thematisieren.

Kann man sagen, dass die beiden Regierungen sich zwar inhaltlich über so gut wie nichts einig sind, nun jedoch immerhin wieder darüber, dass man heikle, strittige Fragen regelmässig diskutiert?

Genauso sehe ich das. Es kann noch lange nicht um eine Normalisierung der bilateralen Beziehungen zwischen Russen und Amerikanern gehen. Aber es gibt Fragen, die von derart vitaler Bedeutung sind für die Sicherheit unseres Planeten, dass man sie angehen muss. Es gibt ein gemeinsames Interesse, diese Fragen zu thematisieren.

Es geht also darum, wieder einen ständigen Dialog zwischen Moskau und Washington zu etablieren. Welche Rolle kann da das Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik spielen?

Wir haben das Glück, dass der Biden-Putin-Gipfel das Klima verändert und den Appetit auf Dialog verstärkt hat. Ich habe in den Jahren zuvor als Generalsekretär der OSZE gespürt, wie gering die Lust der Schlussakteure auf den Dialog war. Das hat sich gebessert – das Interesse steigt wieder. Das sollten wir nutzen. Wir als GCSP können Freiräume für Gespräche anbieten. Einerseits einen öffentlichen Raum, wo wir mit den Vertretern der beiden Delegationen sprechen. Das haben wir bereits gemacht: Sowohl die Vizeleiterin der US-Delegation als auch der Chef der russischen Delegation sind bei uns öffentlich aufgetreten. Andererseits haben wir die Ambition, diese bilateralen Gespräche inhaltlich zu unterstützen.

Wir haben das Glück, dass der Biden-Putin-Gipfel das Klima verändert und den Appetit auf Dialog verstärkt hat.

Wir sprechen hier von einem sogenannten «Track-II»-Dialog, also von einem inoffiziellen Austausch unter Experten beider Seiten. Deshalb sind wir daran, mit russischen und amerikanischen Denkfabriken eine Dialogplattform zu etablieren. Solche Expertendialoge sollen die offiziellen «Track-I»-Gespräche aus einer Expertenoptik begleiten und fördern.

Inwiefern bringt gerade das GCSP die Voraussetzungen für eine solche Rolle mit?

Zunächst ist es sicher die Unabhängigkeit, das internationale Genf und sein Ruf. Letztlich geht es um Unabhängigkeit, Glaubwürdigkeit und Sachkompetenz. Diese Vorteile können wir in die Waagschale werfen. Wir können Leute zusammenbringen, die grundsätzlich nicht gleicher Meinung sind.

Letztlich geht es um Unabhängigkeit, Glaubwürdigkeit und Sachkompetenz.

Haben Sie Signale aus den beiden Hauptstädten, dass in Moskau und Washington ein Interesse an einer solchen Rolle des GCSP besteht?

Ja, die haben wir. Es gibt Pläne für Gespräche in der ersten Hälfte des nächsten Jahres zwischen russischen und amerikanischen Denkfabriken mit dem GCSP als Plattform.

Das GCSP ist nicht zuletzt der Schweizer Beitrag zum Nato-Programm «Partnership for Peace». Ihre Organisation pflegt also naturgemäss enge Kontakte zur westlichen Militärallianz. Sehen das die Russen nicht als Problem?

 Solange wir uns als unabhängige, neutrale Plattform positionieren, ist das kein Problem. Aber klar, wir müssen uns bewusst sein, was unsere komparativen Vorteile sind und diese aktiv ins Spiel bringen, also Unabhängigkeit und Neutralität.

... aber es besteht kein Grundmisstrauen auf russischer Seite...

Nein, wir pflegen beste Beziehungen. Wir hatten in den letzten Wochen hochrangige Kontakte zu russischen Funktionären.

Wir wollen bei grossen geopolitischen Fragen eine Brückenbauerrolle spielen.

Ich hatte allein in den vergangenen sechs Wochen gleich drei russische Vizeaussenminister und den stellvertretenden Leiter des nationalen Sicherheitsrates hier in Genf zu Gast. Da ist ein Grundvertrauen vorhanden.

Spielt es eine Rolle, dass sie als früherer Generalsekretär der OSZE viele Kontakte zu Schlüsselakteuren einbringen können?

Es ist sicher kein Nachteil. Ich denke, ich bringe ein Netzwerk mit – und eine gewisse Glaubwürdigkeit. Das hilft.

Ihre Ambition für das GCSP ist also, eine Art Brücke zu sein zwischen Moskau und Washington?

Sicher, wir wollen bei grossen geopolitischen Fragen eine Brückenbauerrolle spielen. Wir können uns das übrigens auch vorstellen, wenn es um die andere grosse Konfliktlinie geht, jene zwischen den Amerikanern – oder dem Westen insgesamt – einerseits und China andererseits.  

Das Gespräch führte Fredy Gsteiger

Echo der Zeit, 24.11.2021, 18 Uhr;

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