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Nach «MeinArzt»-Debakel Verurteilter Unternehmer mischt wieder im Gesundheitsmarkt mit

2021 wurde der Chef der Praxiskette «MeinArzt Schweiz» wegen Betrugs verurteilt und für 5 Jahre des Landes verwiesen. Recherchen zeigen: Er mischt wieder mit im Markt – unter neuem Namen.

2020 sorgte er landesweit für Schlagzeilen: der Österreicher Christian Neuschitzer. Seine Praxiskette «MeinArzt Schweiz», mit welcher er rund 30 Arztpraxen aufgekauft hatte, brach auf einen Schlag zusammen, als der Chef wegen Covidkredit-Betrugs verhaftet wurde.

2021 wurde er zu 36 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, davon musste er 10 Monate in Haft, der Rest wurde aufgeschoben – auf Bewährung. Zudem wurde er zu 3.2 Millionen Franken Schadensersatz verurteilt. Und: Er wurde fünf Jahre des Landes verwiesen. Zurück blieben die Schulden: Zahlreiche Ärzte und Lieferanten hätten ihr Geld nie bekommen. Neuschitzer schuldet dem Staat auch heute noch eine hohe Summe.

Verurteilter Unternehmer wieder aktiv

Nach der Haftstrafe musste Neuschitzer die Schweiz verlassen und zog zurück nach Österreich. Recherchen der «Rundschau» zeigen nun, dass er kurz darauf auch in Österreich wieder ins Gesundheitsbusiness eingestiegen ist. Er schaltet eine Website auf, auf der er schreibt, er baue eine «Praxiskette nach Schweizer Vorbild» auf. Dutzende Praxen seien geplant.

Brisant: Trotz offener Schulden in der Schweiz war Neuschitzer von Österreich aus auch hierzulande wieder aktiv, und zwar mit der Firma «Avegena Medical Center», einem Netzwerk, das Arztpraxen aufkauft. Auffällig: Allein in diesem Jahr hat «Avegena» laut Handelsregister vier Praxen gekauft. Offiziell hat Christian Neuschitzer damit nichts zu tun. Denn «Avegena» gehört dem Arzt Jens Westphal aus dem Kanton Luzern.

Doch Recherchen zeigen, dass der frühere «MeinArzt»-Chef sehr wohl bei der «Avegena» mitmischt – einfach unter neuem Namen. Über amtliche Register in Österreich lässt sich belegen, dass er seinen Namen von Christian Neuschitzer in Christopher Bene ändern liess. Unter diesem Namen war er beim Kauf von Schweizer Arztpraxen involviert.

Arzt Josef Pollak aus Ruswil erwog, seine Praxis an «Avegena» zu verkaufen. Bei den Verkaufsverhandlungen, so sagt er, sei dieser Christopher Bene stets telefonisch zugeschaltet worden – immer dann, wenn es wichtig wurde.

«Es hat geheissen, dass er auch mit drin ist. Als Aktionär oder Teilhaber oder so», sagt Pollak. Für den Arzt war klar, dass Christopher Bene die treibende Kraft bei «Avegena» war. Arzt Pollak hat schliesslich nicht unterschrieben. Ein schlechtes Bauchgefühl habe ihn davon abgehalten.

Krumme Geschäfte mit Corona-Tests?

Volkan Özcan, ein ehemaliger Geschäftspartner von Neuschitzer in Österreich, stellt der «Rundschau» einen Whatsapp-Austausch zur Verfügung, der das untermauert. So soll Neuschitzer geschrieben haben «avegena.ch … ich bin die Graue Eminenz im Hintergrund, die die Fäden zieht und auch die Kontakte hat und die finanziellen Ressourcen.»

Arzt Josef Pollak aus Ruswil verkaufte seine Firma wegen eines «schlechten Bauchgefühls» nicht an dAvgeena.
Legende: Arzt Josef Pollak misstraute der Firma Avegena. SRF

Volkan Özcan hat sich nach kurzer Zusammenarbeit von Neuschitzer getrennt. Seine Ideen seien ihm rechtlich zu unsicher gewesen. Neuschitzer habe stets vom Big Business mit Arztpraxen geschwärmt. Etwa von Schweizer Covid-Testzentren:  «Er hat mir gesagt, dass diese Corona-Testzentren eine Gelddruckmaschine seien.» In einer Chat-Nachricht an Özcan soll Neuschitzer geschrieben haben: «Habe soeben das 5. Testzentrum in Luzern eröffnet. Das sind Bankomaten».

Ob Neuschitzer wirklich an Schweizer Covid-Tests mitverdient hat, bleibt offen. Die Frage ist: Hat der «Avegena»-Chef in der Schweiz, Jens Westphal, fiktive Coronatests abgerechnet? Die Sendung «Kassensturz» berichtete. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) teilt auf Anfrage mit, es würden «umfangreiche Abklärungen» laufen.

Westphal sagt, er habe keine Kenntnis von falsch abgerechneten Tests und bestreitet vehement, über seine Abrechnungsnummer wissentlich an solchen mitgewirkt oder auch nur davon gewusst zu haben.

Zur Rolle von Christian Neuschitzer alias Christopher Bene in der Firma Avegena sagt Westphal: «Da Herr Bene lediglich für einige Zeit als ‹Berater im Hintergrund› fungierte, mittlerweile aber die Zusammenarbeit beendet ist, halte und hielt ich es nicht für ‹eine bewusste Irreführung›.

Gegenüber der «Rundschau» sagen einige Ärzte in von der Praxis-Gruppe «Avegena» aufgekauften Praxen, dass «Avegena» ein fairer Arbeitgeber sei. Auch hätten die Ärzte, die ihre Praxen an die Gruppe verkauften, bis dato ihr Geld erhalten.

Die «Rundschau» hat Christian Neuschitzer mehrmals kontaktiert, damit er zu den Vorwürfen Stellung nehmen kann. Er wollte sich aber gegenüber der «Rundschau» nicht äussern.

Stellungnahme von Avegena und Dr. Jens Westphal

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«Es trifft nicht zu, dass Herr Neuschitzer bzw. Bene je einen massgebenden Einfluss auf das Unternehmen Avegena ausübte. Er übte nie einen Einfluss auf die Geschäftsleitung von Avegena aus, weder direkt noch indirekt, weder rechtlich noch wirtschaftlich. Mehrheitseigentümer, Verwaltungsratspräsident und verantwortlicher Geschäftsführer mit Einzelunterschrift bei Avegena ist seit Anbeginn Herr Dr. Jens Westphal.»

Ergänzung der Redaktion zum Aktienbuch Avegena: Im Bericht wird von Dritten geäussert, Herr Bene sei ihnen als Teilhaber/Aktionär von Avegena vorgestellt worden. Jens Westphal dementiert klar, dass Herr Neuschitzer bzw. Bene je Anteile an der Firma Avegena hielt. Das Aktienbuch von Avegena, welches SRF vorliegt, bestätigt das. Weder der Name Christian Neuschitzer, noch Christopher Bene sind oder waren darin aufgeführt.

Nachtrag

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Nach der Publikation dieses Beitrags hat Jens Westphal in Österreich gegen Volkan Özcan, den ehemaligen Geschäftspartner von Christian Neuschitzer, geklagt. Die Parteien haben in diesem Verfahren einen Vergleich geschlossen.

In diesem hat sich Volkan Özcan dazu verpflichtet, gegenüber SRF folgende Behauptung als unwahr zu widerrufen: Dass er denke, «dass Herr Dr. Jens Westphal einfach nur ein Strohmann und Befehlsempfänger von einem strafrechtlich verurteilten Dritten sei, welcher Dritte wieder die gleiche Masche zum Existenzverlust vieler durchziehen würde, wenn das nicht öffentlich werde». (Nachtrag vom 23.05.2023)

SRF Rundschau, 09.11.2022, 20:05 Uhr

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