Auch im Ausland ist die «No Billag»-Diskussion aufmerksam mitverfolgt worden. So etwa in Deutschland, wo der öffentlich-rechtliche Rundfunk von rechts zunehmend unter Druck gerät. Auch dort liebäugeln manche mit einer Abschaffung der Gebühren.
Im Gespräch erläutert Dietrich Karl Mäurer – er berichtet seit anderthalb Jahren für die ARD aus der Schweiz –, wie er den Abstimmungskampf erlebt hat, und wo die Diskussion um die Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland steht.
SRF News: Wie haben Sie als Deutscher den langen Abstimmungskampf in der Schweiz erlebt?
Dietrich Karl Mäurer: Ich kann ihn mit den Abstimmungskämpfen der Rentenreform oder der Energiewende vergleichen. Dabei fielen mir jeweils vor allem die starke Plakatierung und die Pro- und Kontra-Debatten auf. Doch die «No Billag»-Debatte war völlig anders: Die sonst so freundlich miteinander umgehenden Schweizer sind sich richtig angegangen!
Ich hatte so etwas in der Schweiz vorher noch nie erlebt.
So war ich einmal für eine Reportage mit einem Anhänger der «No Billag»-Initiative unterwegs zum Flyer-verteilen. Er wurde von Gegnern der Initiative mit scharfen Worten angegangen, sie warfen ihm vor, die Initiative verfolge Nazi-Gedanken und Ähnliches. Ich bin regelrecht erschrocken – denn bislang hatte ich so etwas hierzulande noch nie erlebt.
Inwieweit war die Schweizer «No Billag»-Abstimmung ein Thema auch in Deutschland?
Sie war ein grosses Thema. Ich selber hatte schon Anfang Januar 2017 darüber berichtet. Ich führte damals ein langes Hintergrundgespräch. Allerdings wusste ich noch wenig über die Details der Abstimmung, die Initiative war damals noch gar nicht im Parlament behandelt worden. Auch danach war das Interesse an dem Thema in Deutschland gross, vor allem bei den Medien-Magazinen, aber auch in den politischen Redaktionen.
Die Jugendsender wollten wissen, was in der Schweiz eigentlich los sei.
Besonders gefreut hat mich auch, dass speziell deutsche Jugendsender an dem Thema interessiert waren, obschon sie grundsätzlich nur wenige Wortberichte in ihrem Programm haben. Sie wollten wissen, was in der Schweiz denn los sei.
Wie sind die Reaktionen in Deutschland auf das Schweizer Abstimmungsergebnis vom Sonntag?
Mein oberster Chef, der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm, nannte das Ergebnis ein «wichtiges Signal für unabhängigen Qualitätsjournalismus». Die gelte nicht nur für die Schweiz, sondern auch für Deutschland, Europa und die Welt. ZDF-Intendant Thomas Bellut räumte ein, dass sich die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten auch in Deutschland der Diskussion über ihre Legitimation immer wieder stellen müssten. Auch sie müssten die Akzeptanz der Beitragszahler immer wieder neu erringen.
Zu denken gibt, dass fast ein Drittel für die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gestimmt hat.
Einer der dienstältesten deutschen Medienpolitiker, Rainer Robra/CDU, sagte, er sei über die Entscheidung der Schweizer erleichtert. Es sei gut, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Schweiz erhalten bleibe, denn die Folgen einer Annahme von «No Billag» wären nicht abzusehen gewesen. Nachdenklicher tönte es vom Vorsitzenden des deutschen Journalistenverbands, Frank Überall. Ihm gibt es zu denken, dass fast ein Drittel der Abstimmenden dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk derart skeptisch gegenübersteht, dass er für seine Abschaffung gestimmt hat.
Was hält die Bevölkerung in Deutschland von den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten?
Die Diskussionen flammen immer wieder auf – und das mit den genau gleichen Argumenten, wie sie auch in der «No Billag»-Debatte zu hören waren. Gemäss Umfragen wünschen sich mehr als 60 Prozent der Deutschen eine Volksabstimmung über die Frage. Allerdings gibt es in Deutschland bundesweit grundsätzlich keine Volksabstimmungen. Gemäss einer anderen Umfrage würden rund 39 Prozent der Befragten derzeit für eine Abschaffung der Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland stimmen.
Das Gespräch führte Rouven Born.