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Nahrungsmittel-Spekulation Nahrungsmittel-Spekulation: Schweizer Bauern im Dilemma

«Mit Essen spielt man nicht» – doch was daheim gilt, gilt nicht für den Finanzmarkt: Hier spekuliert man mit Lebensmitteln, die Preise werden unberechenbar. Die Initiative gegen die Nahrungsmittelspekulation will dies unterbinden. Der Widerstand dagegen ist gross – die Sympathien dafür aber ebenso.

Ein Mann aus Nicaragua hält in der einen Hand Münzen, in der anderen ein Fladenbrot.
Legende: Hungernde Menschen seien die direkte Folge von Nahrungsmittel-Spekulationen, meinen die Befürworter der Initiative. Keystone

Der Bundesrat sagt Nein, der Ständerat ebenfalls, und auch der Nationalrat lehnt die Initiative gegen die Spekulation mit Nahrungsmitteln deutlich ab. Das linke Anliegen fordert, dass an den Rohstoff-Börsen nicht mehr mit Nahrungsmitteln spekuliert werden darf: Es treibe deren Preise auf dem Weltmarkt in die Höhe, so die Initianten. Der geballte politische Widerstand gegen diese Volksinitiative aber täuscht: Denn zumindest die Sympathien dafür sind gross – vor allem bei den Bauern.

Mehrheit der Bauern im Parlament ist dennoch gegen Initiative

Eine der Befürworterinnen der Anti-Spekulations-Initiative ist Maya Graf, Nationalrätin der Grünen. Sie sagt: «Nahrungsmittel sind Mittel zum Leben. Sie sind die Grundlage. Davon hängt die Umwelt und das Leben der Menschen ab. Wir haben hier eine grosse Verantwortung – gerade auch die Schweiz – ein wichtiges Zeichen gegen Spekulationen mit Lebensmitteln zu setzen.»

Fragen und Antworten

Maya Graf war die einzige bäuerliche Vertreterin im eidgenössischen Parlament, die für ein Ja zur Volksinitiative gegen Nahrungsmittelspekulation stimmte. Die grosse Mehrheit der bürgerlichen Bauern-Vertreter war dagegen.

Zum Beispiel Hansjörg Walter. Der SVP-Nationalrat fürchtet die Auswirkungen eines Verbots: «Unsere Bankinstitute und auch die Pensionskassen müssten sich von diesen Finanzierungsinstrumenten verabschieden. Das hätte zur Folge, dass diese Geschäfte dann im Ausland getätigt würden.»

Wenn man sieht, wie viele Menschen Hunger haben, kann es nicht sein, dass gewisse Unternehmungen spekulieren.
Autor: Erich von Siebenthal SVP-Nationalrat

Doch eigentlich findet es auch Meisterlandwirt Walter unsittlich, an den Rohstoff Börsen mit Mais oder Weizen zu spekulieren und darauf zu wetten, dass die Preise steigen. «Eigentlich» sei das Anliegen der Initianten ja berechtigt, sagen viele Gegner – und darunter hat es viele Bauern, die auch ihren Kindern beibringen: Mit Essen spielt man nicht.

Zweifel an der Umsetzbarkeit

SVP-Nationalrat Erich von Siebenthal sagt es so: «Für mich ist es einfach inakzeptabel, wenn man Lebensmittel nutzt, um finanzielle Mitel übermässig herauszuholen. Das kann nicht sein, wenn man sieht, was auf dieser Welt geschieht, wie viele Menschen Hunger haben. Da kann es nicht sein, dass gewisse Unternehmungen spekulieren.»

Zu einem Ja konnte sich Bauer von Siebenthal dann aber doch nicht durchringen. Zu gross sind die Zweifel an der Umsetzbarkeit der Volksinitiative. Und so hat sich der SVP-Mann der Stimme enthalten – zusammen mit ein paar weiteren Bauern-Vertretern.

Darunter auch Markus Ritter. Der CVP-Nationalrat und Präsident des Schweizerischen Bauernverbands steckt wie viele Bauern in einem Dilemma: «Wenn wir mit Fehlverhalten in der Spekulation die Nahrungmittel für ärmere Bevölkerungsschichten weltweit unnötig verteuern, dann ist es für uns sehr schwierig.»

Die Problematik ist, dass das Anliegen berechtigt ist, aber dass die Umsetzung kaum von der Schweiz alleine aus getätigt werden kann.
Autor: Markus Ritter Präsident des Schweizerischen Bauernverbands

Die Initiative

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Am 28. Februar wird über die Initiative «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln» abgestimmt. Sie fordert, dass Finanzinstitute mit Sitz oder Niederlassung in der Schweiz nicht länger mit Agrarderivaten spekulieren dürfen. Heute spekulieren ausländische Investment-Fonds und einige wenige Trader in der Schweiz auf Grundnahrungsmittel.

Viele Schweizer Bauern fühlen sich solidarisch mit ihren Berufskollegen in den Entwicklungsländern. Sie leiden laut den Initianten am meisten, wenn die Preise wegen Spekulationen stark schwanken. Eine Umfrage des Bauernverbandes zeigt, dass die Mehrheit ihrer Mitglieder die Anti-Spekulations-Initiative unterstützen. Die Verbandsspitze konnte sich aber trotzdem nicht zu einem klaren Votum durchringen und beschloss Stimmfreigabe.

Präsident Ritter: «Die Problematik ist, dass das Anliegen berechtigt ist, aber dass die Umsetzung kaum von der Schweiz alleine aus getätigt werden kann, sondern von der internationalen Staatengemeinschaft angegangen werden muss.»

Die Bauern stecken also im Dilemma, das wissen auch die Befürworter der Anti-Spekulations-Initiative. So setzen sie im Abstimmungskampf stark auf die weltweite Solidarität unter den Bauern.

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