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Nationales Forschungsprogramm «Big Data» – so bestechend nützlich wie gefährlich

Der geregelte Umgang mit den riesigen Datenmengen stecke noch in den Kinderschuhen, warnt eine breite nationale Studie.

Daten sind das neue Gold oder neue Öl – ein Rohstoff von immensem Wert und für die Gesellschaft von zunehmender Bedeutung. Mit immer besseren Hard- und Software-Technologien können Daten in nie dagewesenem Umfang gesammelt und analysiert werden.

Ein nationales Forschungsprogramm hat sich seit 2015 in 37 Projekten mit «Big Data» in der Schweiz beschäftigt. Alle mit dem Ziel, Forschung und Innovation in diesem Bereich zu fördern. Der allgemeine Schluss: «Big Data» könne das tägliche Leben verbessern, solange sie verantwortungsvoll genutzt werden. Gleichzeitig sei «Big Data» eine Herausforderung für demokratische Prozesse, Gleichbehandlung, Fairness oder das Recht auf Anonymität im öffentlichen Raum.

Einblicke in alle Lebensbereiche

«Eine Versicherung könnte heute beispielsweise genaue Risikoanalysen machen und individuelle Policen erstellen», erklärte Friedrich Eisenbrand, Mathematiker an der ETH Lausanne. Dies gefährde das Solidaritätsprinzip.

Wir haben uns an erstaunlich genaue Kaufempfehlungen beim Online-Shopping gewöhnt und nutzen ständig Suchmaschinen.
Autor: Friedrich Eisenbrand Mathematiker, ETH Lausanne

Auch aus Alltagsdaten könnten sensible Informationen über Personen gewonnen werden. So etwa von einer Supermarktkette, die aus dem veränderten Einkaufsverhalten einer Kundin eine Schwangerschaft ableite oder aus Bewegungsdaten einer Person auf Depressionen schliesse.

Technologie immer voraus

Diese möglichen Probleme von «Big Data» zu verstehen sei wichtig, um auf die Zukunft vorbereitet zu sein, erklärten die Forschenden nun im Schlussbericht. Denn die Regulierung stecke noch in den Kinderschuhen und hinke der technologischen Entwicklung hinterher.

«Big Data» spiele allerdings schon heute eine grosse Rolle im täglichen Leben, so Eisenbrand: «Wir haben uns an erstaunlich genaue Kaufempfehlungen beim Online-Shopping gewöhnt und nutzen ständig Suchmaschinen.»

Datencenter  von Google
Legende: In den Schlussfolgerungen des Forschungsprogramms NFP75 wird unter anderem empfohlen, den Einsatz von «Big Data» durch die Ausbildung von Fachleuten in der Schweiz zu fördern. Keystone/AP/Google/Connie Zhou

Als weiteres Beispiel führte Eisenbrand die Gesundheitsdaten an. So produziere ein modernes Schweizer Spital monatlich ein Petabyte an Daten, was einer Milliarde Bücher entspreche. Die British Library als weltgrösste Bibliothek führe zum Vergleich etwa zehn Millionen Bücher.

«Big Data» biete aber auch grosses Potenzial. Insbesondere in der Gesundheitsversorgung, der Mobilität, der Energieeffizienz oder der Informationsbereitstellung. So sind im Rahmen des NFP 75 beispielsweise Prototypen zur Überwachung auf der Intensivstation entstanden, die Vorhersagen über den Zustand von Patientinnen und Patienten ermöglichten.

Schweiz im Rückstand? Einschätzung von SRF-Digitalredaktor

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Jürg Tschirren, ist die Schweiz bei «Big Data» im Rückstand?

«Die Schweiz ist im Bereich ‹Big Data› nach meiner Einschätzung eher spät dran und es wird sich noch eine Weile dauern, bis diese Schlussfolgerungen und Forderungen auch bei der Politik Gehör finden und dann später allenfalls umgesetzt werden. Allgemein hat sich die Begeisterung aber wieder ein bisschen gelegt, die das Thema ‹Big Data› noch vor einigen Jahren auslösen konnte. So gibt es auch einige Kritik an der Technologie. Etwa, dass die reine Menge an Daten noch nichts über deren Qualität und auch nichts über die Qualität der daraus abgeleiteten Forderungen aussage. Mehr Daten heisse nicht automatisch mehr Erkenntnis, man könne dabei auch den Blick auf das Wichtige verlieren.»

Andere Anwendungen betreffen etwa die automatische Erkennung von Überschwemmungen oder die Optimierung des öffentlichen und privaten Verkehrs.

Schweiz kann Rolle bei Harmonisierung spielen

Als Wirtschaftsgut gewinnen Daten immer mehr an Wert. Die Harmonisierung der Rechtsvorschriften werde jedoch durch nationale Unterschiede bei Datenschutz und Datensicherheit behindert. Die Ergebnisse eines Forschungsprojekts zum internationalen Handelsrecht unterstrichen die zunehmende Bedeutung einer solchen Harmonisierung.

«Die Schweiz könnte dabei als innovatives und global vernetztes Land eine wichtige Rolle spielen», sagt Mira Burri, Professorin für Internationales Wirtschaftsrecht an der Universität Luzern. Dank der zahlreichen internationalen Organisationen mit Sitz in der Schweiz sei das Land in einer einzigartigen Position, um die Harmonisierung der transnational ausgerichteten Institutionen zu unterstützen.

Rendez-vous, 02.03.2023, 12:30 Uhr ; 

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