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Neue Debitkarten Visa und Mastercard schröpfen KMU-Betriebe

Die Maestro- und V-Pay-Karten werden ersetzt. Die Transaktionsgebühren steigen – mit teuren Folgen auch für Konsumenten.

Coiffeur-Meister Heinz Rusch ärgert sich über neue Kommissionen, welche er bei jeder Transaktion mit einer neuen Debitkarte von Mastercard und Visa leisten muss: «Angenommen, jeder Kunde würde nur noch mit den neuen Karten bezahlen, dann macht das sicher einen ganzen Monatslohn eines Arbeiters, also 4000 bis 5000 Franken pro Jahr aus», rechnet er vor. Einen Nutzen gibt es keinen.

In der Schweiz sind rund 7 Millionen Maestro-Karten im Umlauf. Sie werden von den Banken nach und nach durch neue Debitkarten ersetzt. Einzelne Banken tauschen noch während der Laufzeit verlorene oder defekte Maestro- oder V-Pay-Karten konsequent gegen die neuen Debitkarten aus (Übersicht siehe Box «Umfrage bei grossen Schweizer Banken»).

Die Banken argumentieren: Die Kunden hätten grosse Vorteile, denn sie können mit diesen Karten nun auch online bezahlen und später die Karten in Bezahl-Apps hinterlegen. Nur: Die Zeche dafür bezahlen kleine und mittelgrosse KMU-Betriebe.

Umfrage bei grossen Schweizer Banken

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Einige Banken gehen bei der Ablösung der Maestro-Karten oder V-Pay-Karten forscher vor als andere. Eine aktuelle Übersicht darüber, wie grosse Schweizer Banken bei der Einführung der neuen Debitkarten vorgehen, finden Sie bei moneyland.ch .

KMU-Betriebe besonders hart betroffen

Kleine Dienstleister wie ein Coiffeur-Salon werden durch die höheren Kommissionen besonders hart getroffen: Bei Beträgen ab rund 30 Franken zahlen sie mehr Abgaben als vorher – und sie können sich kaum wehren. Heinz Rusch sagt: «Ich kann mit Worldline nicht über die Gebühren verhandeln wie die ganz grossen Detailisten.»

Für Ralf Beyeler vom Vergleichsportal Moneyland ist klar: Händler-Abgaben als prozentualer Anteil vom Umsatz sind unfair und führen bei höheren Kaufbeträgen zu überrissenen Kommissionen. «Der Aufwand pro Transaktion ist für die Finanzdienstleister extrem niedrig, das ist ein absolutes Volumengeschäft – vollautomatisiert. Die neuen Gebühren lassen sich rein aufgrund der Kosten nicht rechtfertigen», argumentiert Ralf Beyeler.

Je höher der Betrag, desto höher die Kommission

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Wenn eine Kundin im Laden mit dem Maestro-Kärtli bezahlt, muss der Händler eine Kommission bezahlen – in den allermeisten Fällen an die marktbeherrschende Firma Worldline. Sie wickelt die Bezahlung ab. Für die Maestro-Karte war das bis anhin ein Fixbetrag von 26 Rappen pro Transaktion. Davon bekamen die Banken nichts, weil die Behörden dies verboten hatten.

Wenn die Kundin mit einer der neuen Debit-Karten von Mastercard oder Visa bezahlt, dann bezahlt der Händer deutlich mehr: Mit der Debitkarte von Mastercard rund 0,5 Prozent vom Umsatz. Bei einer teuren Anschaffung von beispielsweise 2600 Franken fallen so 13 Franken Gebühren an, das sind 50 Mal so viel wie bei der Maestro-Karte.

Bei der Debitkarte von Visa ist die Gebühr sogar rund ein ganzes Prozent. In diesem Beispiel: 26 Franken – also 100 Mal so viel wie bei Maestro-Karte. Für die genau gleiche Zahlung und auf Kosten der Händler.

Worldline bezahlt den Banken eine behördlich abgesegnete Interchange-Gebühr. So profitieren diese neu mit. Insgesamt kommen so Dutzende von Millionen Franken zusammen.

260-fach höhere Abgaben

Auch der Luzerner Goldschmied Philippe Stutz ärgert sich über die neuen Debitkarten: Bei einem Paar Goldringen zu 6300 Franken muss er neu bis zu 60 Franken an Worldline abliefern, rund 260 Mal so viel wie bei einer Zahlung mit der Maestro-Karte. «Das sind nicht nur ein paar Prozent mehr, das ist massiv mehr», hält er fest.

Er rechnet für seinen Betrieb mit tausenden Franken Zusatzkosten, nur wegen den neuen Karten-Kommissionen. Immerhin: nachdem er reklamiert hatte, kam ihm Worldline bei den Kreditkarten und bei der Maestro-Karte ein bisschen entgegen, bei den neuen Debitkarten blieb Worldline hart.

Der Preisüberwacher verhandelt mit Worldline

Auf Nachfrage von «Kassensturz» antwortet Worldline, die neuen prozentualen Abgaben kämen vielen Händlern entgegen, die nur kleine Einzelbeträge abrechnen. Das Unternehmen ergänzt: «In den allermeisten Fällen verlangen Händler ein einfaches, transparentes Preismodell. Diesem Wunsch tragen wir mit der vorliegenden Lösung für Visa-Debit und Debit-Mastercard (…) Rechnung. Wir waren bei der Preisgestaltung auch mit dem Preisüberwacher in Abstimmung.» Worldline kündigt zudem eine baldige Lösung an: Man sei mit dem Preisüberwacher in Verhandlungen über eine Limite der Kommissionen bei grösseren Beträgen.

Bis dahin kassieren Worldline und die Banken bei KMU-Betrieben besonders ab. Ralf Beyeler bringt es auf den Punkt: «Die Finanzindustrie hat einen Weg gefunden, bei den Händlern mehr herauszuholen, ohne dass effektiv höhere Kosten entstanden sind – lediglich der Gewinn wird erhöht.» Seine Befürchtung: Die Händler werden die Kommissionen irgendwann den Konsumentinnen und Konsumenten weiterverrechnen, in Form von höheren Preisen.

Kassensturz, 09.03.2021, 21:05 Uhr

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