- Eine Volksinitiative will auf freiwilliger Basis ein Modell einer Ausgleichskasse in den Kantonen einführen.
- Die Krankenkassenprämien sollen künftig von den Kantonen festgelegt und einkassiert werden.
- Gemäss dem Waadtländer Gesundheitsdirektor Pierre-Yves Maillard (SP) schlägt die Initiative ein kantonales System vor – im Gegensatz zu der 2004 vom Volk verworfenen Einheitskasse.
- Es stehe den Kantonen auch frei, am bisherigen Modell festzuhalten.
Lanciert wird die Volksinitiative «Krankenversicherung: Für die Organisationsfreiheit der Kantone» am kommenden 3. Oktober mit der Publikation im Bundesblatt. Gemäss dem Initiativtext sollen die Kantone eine kantonale oder interkantonale Einrichtung nach dem Modell einer Ausgleichskasse schaffen. Im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung sollen dabei die Prämien festgelegt, erhoben und die Kosten finanziert werden. Zudem soll sie sich an der Finanzierung von Präventions- und Gesundheitsförderungsprogrammen beteiligen.
Die kantonale Einrichtung soll für alle Versicherten der betroffenen Region eine einzige Prämie anbieten, je nach Versicherungsmodell und Franchise. Sie setze damit der sogenannten «Jagd auf gute Risiken» ein Ende. Die Versicherer sollen weiterhin die administrative Arbeit erledigen und dafür entschädigt werden. Die Prämienerhöhungen sollen sich künftig für alle Versicherten genau nach der Entwicklung der Gesundheitskosten richten.
847 verschiedene Verträge
Heute bieten 40 Versicherer Verträge an, deren Prämien von 297 bis 769 Franken reichen bei einem Selbstbehalt von 300 Franken. 52 Versicherer bieten ebenfalls Prämien für alternative Modelle an. Insgesamt hat ein Versicherer sogar die Wahl unter 847 verschiedenen Verträgen für seine Krankenversicherung.
Was die Kosten der Ausgleichskasse des Kantons anbelangt, so verwies Maillard auf den Kanton Waadt. Die dortige Einzugszentrale der Gesundheitseinrichtungen funktioniert nach demselben Prinzip wie jenes der geplanten kantonalen Ausgleichskassen. Im Jahr 2012 betrugen dessen Betriebskosten 900'000 Franken für 2,22 Millionen bearbeitete Rechnungen. Diese hatten einen Gesamtwert von 680 Millionen Franken.
Die geschätzten Kosten der Ausgleichskasse würden sich dementsprechend auf etwa eine Million Franken pro Jahr und pro Kanton oder Gruppe von Kantonen belaufen. Für den Kanton Waadt entspreche dies weniger als zwei Franken pro Jahr und Einwohner.
Bewegung schwappt auf Deutschschweiz über
«Das ist der Beginn einer Bewegung», sagte Maillard. Was in der Romandie begonnen habe, schwappe immer mehr auch auf die Deutschschweiz über. Im Initiativkomitee finden sich nationale Parlaments- und Regierungsmitglieder von Linken und Grünen sowie kantonale Parlamentsmitglieder von FDP und CVP. Dazu kommen auch Ärzte, Westschweizer Konsumentenschutzverbände und mit Jean-Paul Diserens auch der Gründer der Assura-Versicherung.
Der Genfer Regierungsrat Mauro Poggia vom Mouvement Citoyens Genevois (MCG), wies darauf hin, dass sie seit Monaten daran seien, einen Konsens zu finden und die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. «Und wer zufrieden ist mit dem heutigen System, der muss auch nicht mitmachen», sagte er.
Konkrete Einsparungen kaum bezifferbar
Wie sich das vorgeschlagene System konkret auf die Kostenentwicklung und damit die Prämien auswirken wird, lässt sich nach den Worten von Maillard nicht genau abschätzen. Heute konstituiert jeder Versicherer Reserven, die etwa 20 Prozent seiner jährlichen Ausgaben decken müssen. Die neue Einrichtung wird weniger als zehn Prozent Reserven ihrer jährlichen Ausgaben halten dürfen.
Während der ersten Jahre des Betriebs erlauben diese überschüssigen Reserven einen Prämien- und Kostenanstieg zu verhindern. Wenn die überzähligen Reserven einmal aufgebraucht sind, werden die Prämien in genau demselben Masse ansteigen wie die Gesundheitskosten.
«Pseudowettbewerb» verursache ungesunde Kosten
Wegfallen werden auch die jährlichen Kassenwechsel, weil allen Versicherten eine identische Prämie entsprechend dem gewählten Versicherungsmodell und der Selbstbeteiligung geboten wird, wie Poggia sagte.
Heute wechseln jedes Jahr 500'000 bis eine Million Versicherte die Kasse. Pro Versicherten entstehen dadurch administrative Kosten von über 200 Franken, wie die St. Galler SP-Regierungsrätin Heidi Hanselmann sagte.
Der heutige «Pseudowettbewerb» verursache ungesunde Kosten. «Wie wollen Sie einem Laien erklären, dass die Bandbreite der Prämienerhöhung zwischen 1,2 und 13 Prozent beträgt?», fragte Hanselmann.