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Neue Preisanalyse Detailhändler kassieren hohe Margen für Label-Fleisch

Preiskampf zu Lasten des Tierwohls: Laut Tierschutz ist Labelfleisch zu teuer, konventionelles dafür zu billig.

Ein Kilo Bio-Schinken kostet im Schnitt gut 51 Franken. Schätzfrage: Wie viel davon erhält der Bauer? Die Hälfte? Etwas weniger?

Viel weniger! Das ist die für viele Konsumenten überraschende Antwort aus einer Preisanalyse vom Schweizer Tierschutz STS. Dieser hat in einer Stichprobe Fleisch unterschiedlicher Sorten und Label eingekauft. Dann hat er mit Unterstützung der Branchenorganisation Metzgertreuhand in einer umfangreichen Analyse die Preiszusammensetzung dieser Einkäufe berechnet. Jeweils für Bio, Tierwohllabel wie Naturafarm oder Terrasuisse sowie für konventionell produziertes Fleisch.

Bauern erhalten nicht viel mehr für Labelfleisch

Zurück zum Schinken-Beispiel: Ein Kilo konventioneller Schinken kostete zum Zeitpunkt der Stichprobe bei verschiedenen Grossverteilern 23 Franken im Schnitt, ein Kilo Bio-Schinken 51 Franken. Unterschied: 28 Franken. Davon bekommt der Bauer laut STS-Berechnung gerade einmal zwei Franken. Vom Rest erhält der Schlachthof drei Franken, der Detailhandel stolze 23 Franken.

Dieser Aufpreis sei zu hoch, kritisiert Stefan Flückiger vom STS. Beim konventionellen Fleisch sei der Zuschlag des Handels nämlich deutlich geringer. Deshalb sei dieses im Endpreis auch viel günstiger: «Das sind völlig verzerrte Preise. Beim konventionellen Fleisch tobt ein Preiskampf. Die Preise werden künstlich tief gehalten.»

Keine Zunahme bei tierfreundlicher Haltung

Im Vergleich dazu sei Label- und Bio-Fleisch unattraktiv teuer: «Dort sind hohe Margen des Handels drauf. Das führt zu einer grossen Preisdifferenz.» Die Forderung des STS: Der Detailhandel müsse die Preise für Label- und konventionellem Fleisch annähern, um die Nachfrage nach Fleisch aus tiergerechter Haltung zu steigern.

Der Frust ist etwa bei den Schweinemästern gross: «50 Prozent der Mastschweine halten wir heute gemäss Labelanforderungen, aber nur ca. 30 Prozent können wir als Labelfleisch verkaufen», sagt Urs Haslebacher, Vize-Präsident vom Mästerverband Suisseporcs gegenüber «Kassensturz».

Bauern kritisieren Margen

Auch Suisseporcs bemängelt, dass die Detailhändler bezüglich Preiszusammensetzung nicht transparenter seien: «Es gibt einen Mehraufwand: für das Betreiben des Labels, für zusätzliche Kontrollen. Aber wir haben manchmal den Verdacht, dass ungerechtfertigt Margen draufgeschlagen werden.»

Coop und Migros winken ab. Sie bestreiten gegenüber «Kassensturz» die Berechnungen des STS und sagen, dass sie mit Labelfleisch unter dem Strich nicht mehr Geld verdienten. Wie das möglich ist bei diesen grossen Margen, das bleibt aber undurchsichtig.

Aktionen statt faire Preise

Coop schreibt, alle Mehrleistungen seien fair abgegolten. Und weiter: «Zusätzliche Kosten entstehen beispielsweise durch Zertifizierungen, die Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit oder Vermarktungsmassnahmen zur Förderung der Label-Produkte.»

Migros schreibt zudem, der Durchschnittspreis für Kunden sinke übers Jahr hinweg, wenn man Aktionen berücksichtige: «Mit zahlreichen Aktionen fördert die Migros gezielt den Verkauf von Labelfleisch.» Mit anderen Worten: Wer zum normalen Preis einkauft, bezahlt zu viel.

Espresso, 16.06.20, 08:13 Uhr

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