Wegen der veränderten Sicherheitslage in Europa fliessen riesige Geldbeträge in die Armeen, wie man es sich vor dem russischen Überfall auf die Ukraine nicht mehr vorstellen konnte. Die EU will sich auf das schlimmste Szenario vorbereiten: einen grossen Krieg mit Russland. Zusätzliche 800 Milliarden Euro sollen in die Aufrüstung der EU-Mitgliedsländer fliessen. Dazu soll es auch EU-Kredite von 150 Milliarden Euro geben.
Nun will sich auch die Schweiz etwas von diesem Kuchen abschneiden. Botschafterin Pälvi Pulli ist stellvertretende Staatssekretärin für Sicherheitspolitik und zuständig für internationale Kooperation. Sie sondiert für den Bundesrat, wie die Schweiz vom EU-Aufrüstungsplan profitieren könnte, mit einer neuen Sicherheitspartnerschaft.
«Das würde uns ermöglichen, die bisherige breite Zusammenarbeit mit der EU in einem Dokument zusammenzufassen», erklärt Pulli. Eine Sicherheitspartnerschaft wäre laut Pulli die Basis für neue Abkommen zwischen der Schweiz und der EU im Verteidigungs- und Rüstungsbereich.
SVP warnt vor EU-Abhängigkeit, SP zeigt sich offen
Bei den SVP-Parlamentsmitgliedern kommt eine solche Sicherheitspartnerschaft mit der EU allerdings gar nicht gut an. «Ich warne vor einem solchen Abkommen. Es gibt eine Abhängigkeit mit der EU», meint der Zürcher SVP-Nationalrat Mauro Tuena. Der SVP-Sicherheitspolitiker findet, die Schweiz müsste den Fächer viel breiter öffnen und Rüstungsgüter auf der ganzen Welt einkaufen, nicht primär in der EU.
Wir bekommen nur mehr Sicherheit, wenn wir wirklich mit Europa zusammenarbeiten
Ganz anderer Meinung ist die Zürcher SP-Sicherheitspolitikerin Priska Seiler Graf, die auch Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats ist. Die Schweiz soll sicherheitspolitisch stärker mit der EU kooperieren, fordert Seiler Graf.
«Wir bekommen nur mehr Sicherheit, wenn wir wirklich mit Europa zusammenarbeiten», erklärt Seiler Graf, «wir müssen mit der EU kooperieren und vor allem auch gemeinsame Rüstungsbeschaffungen machen.»
Schweizer Rüstungsindustrie hofft auf Abkommen
Ohne Sicherheitspartnerschaft mit der EU und einem entsprechenden Abkommen kann die Schweizer Rüstungsindustrie kaum an Aufträge kommen, die über den 800-Milliarden-Aufrüstungsplan der EU und teilweise über neue Schulden finanziert werden.
Laut dem EU-Aufrüstungsplan «Re Arm Europe» dürfen Waffenproduzenten aus Drittstaaten nur Komponenten von Rüstungsgütern liefern, die ein Drittel des Wertes des gesamten Waffensystems ausmachen. Mit einem Sicherheitsabkommen können Rüstungsfirmen aus Drittstaaten aber auch die kompletten Systeme liefern.
Vor allem für die Schweizer Rüstungsindustrie wäre die Sicherheitspartnerschaft mit der EU daher interessant. Mit einem zusätzlichen Abkommen könnte die Industrie auch an Aufträge kommen, die über EU-Kredite finanziert werden, erklärt Pälvi Pulli. «Wenn man eine Partnerschaft abschliesst, dann hat man grundsätzlich Zugang zu diesem Förderungsinstrument, dann kann man diese Kredite beantragen für gemeinsame Beschaffungen», so Pulli.
Eine Verteidigungspartnerschaft wäre mit der Neutralität vereinbar, sagt der Bundesrat. Zuerst sollen jetzt aber Sondierungsgespräche mit der EU stattfinden, bevor die Landesregierung definitiv über eine solche neue Partnerschaft mit der EU entscheidet.