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Neue Studien zur Effizienz Weil uns der Austausch fehlt: Homeoffice macht weniger produktiv

Neue Studien zeigen: im Homeoffice sind wir weniger produktiv. Die Unternehmen werden sich trotzdem damit arrangieren müssen.

Das Arbeiten von zu Hause aus ist seit der Pandemie für viele Leute Alltag. Video-Konferenzen mit Kolleginnen und Kollegen, die sich von überall her zuschalten, sind Standard.

Warum extra ins Büro fahren, wenn es auch von zuhause aus geht? Untersuchungen während oder unmittelbar nach der Pandemie bestätigten den subjektiven Eindruck und bewerteten die Leistungsfähigkeit der Leute im Homeoffice als sehr gut. 

Mindestens 10 Prozent weniger produktiv

Neue Studien kommen zu einem anderen Schluss: Ökonominnen und Arbeitspsychologen konstatieren eine deutlich tiefere Produktivität von Leuten, die ständig remote arbeiten: Wer ausschliesslich über technische Hilfsmittel mit dem Büro und den Leuten dort kommuniziere, nie vor Ort sei, reduziere seine Produktivität um 10 bis 15 Prozent, sagt der Ökonom José Maria Barrero, Mitautor einer Übersichts-Studie aus den USA.

Eine Frau sitzt vor einem Computer.
Legende: In den eigenen vier Wänden sind wir weniger produktiv als am Arbeitsplatz. Keystone/ Christian Beutler

Produktivität wird dabei verstanden als das, was wir in einer bestimmten Zeit zustande bringen. Es gibt Untersuchungen aus US-Call-Centern, bei denen die Quantifizierung vergleichsweise gut geht. Im konkreten Fall hatten die Angestellten schon 2019 die Möglichkeit von Homeoffice-Tagen.

Erhebungen zeigten nun, dass sowohl die Angestellten, die auf eigenen Wunsch von zuhause aus arbeiten, als auch jene, die pandemiebedingt ins Homeoffice mussten, weniger produktiv waren: Sie nahmen weniger Anrufe entgegen, brauchten für Anfragen deutlich länger, schlossen weniger Fälle ab.  

Kolleginnen und Kollegen als Katalysator und Korrektiv

Gemäss den Forschern zeigen beide Gruppen typische Probleme des Homeoffice: Zum einen sei es schwieriger sich zu motivieren. Zum anderen – und das sei wesentlich für die geringere Produktivität – fehle der Austausch mit anderen: Das Informelle, die kurzen Wege, das schnell mal die Büro-Nachbarin fragen, auch der Austausch am Kaffee-Automaten. In der Summe mache das viel aus. 

Das bestätigt auch die Arbeitspsychologin Gudela Grote von der ETH-Zürich: Der Austausch mit anderen sei Katalysator und Korrektiv, sagt sie, «was andere sagen, bringt mich auf neue Ideen – wenn andere mich kritisieren, muss ich meine Argumentation schärfen. Beides ist wichtig».   

Ökonom: Produktivität neu denken

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Forscher und Ökonom José Maria Barrero ist überzeugt, dass das Homeoffice als Teil der Arbeitswelt Bestand haben werde. Schlicht, weil es ein Grossteil der Angestellten wollten, besonders jene, die lange Arbeitswege zurücklegen müssten: «Einer der meistgenannten Vorteile des Homeoffice ist der Zeitgewinn, dass die Leute nicht jeden Tag 1-2 Stunden unterwegs sein müssen.». So gesehen seien sie auch effizienter, weil sie weniger Zeit für die Arbeit aufwenden müssten.  

Ökonom Barrero plädiert darum für eine Neu-Definition von Produktivität: Wenn Menschen zufriedener seien im Job, weil sie weniger Zeit mit Pendeln verbringen, zahle sich das langfristig auch für die Arbeitgeber aus. 

Der Wert von Präsenz und Austausch gilt dabei auch für sogenannte Wissens-Berufe (bei denen die Produktivität schwieriger zu messen ist): Ökonom Barrero verweist auf Befunde der Organisationsforschung: «Bei Projekten, bei denen die Beteiligten sich tatsächlich trafen, waren die Ideen kreativer und die Lösungen besser als bei rein remote realisierten Projekten.» 

Arbeitgeber sind im Clinch 

Die Unternehmen befinden sich in einem Dilemma: Einerseits hätten sie es lieber, wenn die Angestellten wieder ins Büro kämen. Andererseits müssen sie ihren Angestellten in Zeiten des Fachkräftemangels etwas bieten.

Barrero und seine Kollegen haben dabei eine Beobachtung gemacht: Seit der Pandemie gebe es eine Kluft zwischen Angestellten und Arbeitgebern, was den Wunsch nach Homeoffice angehe. «Die Kluft ist kleiner geworden, aber vor allem, weil die Unternehmen pragmatischer geworden sind». 

Echo der Zeit, 09.09.2023, 18:00 Uhr

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