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Neuer Krebsbericht Immer mehr Menschen überleben Krebs

Nimmt Krebs im Verlauf der Zeit zu oder ab? Auf diese Frage gebe es keine einfache Antwort, sagt Rolf Weitkunat, Epidemiologe des Bundesamts für Statistik (BfS).

Eigentlich seien es zwei Antworten, erklärt er. Auf der einen Seite nimmt Krebs zu, wenn man die jährlichen Krebserkrankungen oder die krebsbedingten Sterbefälle betrachtet. Auf der anderen Seite nimmt Krebs nicht zu oder sogar ab, wenn man das individuelle Risiko von Personen betrachtet, an Krebs zu erkranken oder zu sterben. Für diesen vermeintlichen Widerspruch gibt es aber eine Erklärung.

Das Krebsrisiko steigt mit dem Alter

Die jährlichen Neuerkrankungen an Krebs und die Todesfälle nehmen aufgrund der steigenden Anzahl an älteren Menschen in der Schweiz zu. Ab dem 70. Lebensjahr verdoppelt sich das Krebsrisiko im Vergleich zu den 70 Lebensjahren davor. Im Jahresdurchschnitt von 2013 bis 2017 wurden rund 3350 Fälle mehr diagnostiziert als noch im Zeitraum 2008-2012.

Im Gegensatz dazu bleibt das Krebsrisiko in jedem Lebensalter gleich, und die Sterblichkeit nimmt sogar ab. Diese Erkenntnisse gehen aus dem Schweizerischen Krebsbericht 2021 des BfS hervor. Dieser Bericht zum Stand und den Entwicklungen des Krebses in der Schweiz wurde nun für die Jahre 2013 bis 2017 veröffentlicht.

Sterberaten bei beiden Geschlechtern zurückgegangen

Der Bericht zeigt: Rund jeder zweite Mann und jede dritte Frau sind in ihrem Leben von Krebs betroffen. Das Risiko für die einzelnen Personen, an Krebs zu erkranken, hat jedoch nicht zugenommen. Bei den Männern nimmt es sogar ab, bei den Frauen bleibt es stabil. Das hängt mit den Risikofaktoren für bestimmte Krebserkrankungen zusammen.

Lungenkrebs ist eine der häufigsten Krebsarten, wobei das Rauchen den Hauptrisikofaktor darstellt. Im Verlauf der Zeit rauchen Frauen mehr und ihr Risiko, an Krebs zu erkranken, nimmt daher auch nicht ab wie bei den Männern.

Über alle Krebsarten hinweg starben in den Jahren 2013 bis 2017 jährlich rund 17'000 Personen. Bei Männern war Krebs bei 30 Prozent aller Todesfälle die Ursache. Bei Frauen ist diese Zahl tiefer: 23 Prozent aller Todesfälle bei den Frauen war durch Krebs bedingt. Erfreulich ist dabei, dass die Überlebenschancen für viele Krebsarten bei beiden Geschlechtern gestiegen sind.

Drei Fragen und Antworten zum Stand der Krebsforschung

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Daniel M. Aebersold, Chefarzt und Direktor am Tumorzentrum UCI des Inselspitals Bern, zum Stand der Krebsforschung.


SRF News: Wo steht man in der Krebsforschung?
Daniel Aebersold: Es ist eine enorme Entwicklung in der medikamentösen Behandlung zu erwähnen, es gibt eine Vielzahl von neuen Behandlungsoptionen, die zur Verfügung stehen. Inklusive auch der Immuntherapie, die immer häufiger eingesetzt wird zur Stärkung der Immunabwehr von Patienten selbst. Zu diesem Zweck werden auch häufiger zelluläre Behandlungen eingesetzt. Das sind Immunzellen, die gegen den Tumor gerichtet sind. Aber auch alle anderen Disziplinen machen grosse Fortschritte. Die Behandlungen werden immer genauer und nebenwirkungsarmer.


Wo liegen in der Krebsforschung die grössten Herausforderungen?
Die grössten Herausforderungen liegen darin, dass die Konzepte der personalisierten Medizin erst am Anfang stehen. Man möchte den Patienten immer häufiger individualisierte Konzepte anbieten können. Diese sind zugeschnitten auf ihren Tumor, um zu vermeiden, dass sie unnötigerweise behandelt werden, und um eine deutlich höhere Effizienz der Behandlung zu haben. Da sind wir aber noch sehr weit von einem flächendeckenden Einsatz entfernt, aber das wird für immer mehr Patienten die Zukunft sein.


Wie weit ist man in der Entwicklung einer Krebs-Impfung basierend auf der mRNA-Technik?
Die mRNA-Impfung ist in der Krebsforschung entwickelt worden. Im Gegensatz zu der Covid-Impfung ist es sehr viel schwieriger, gegen Krebs eine solche Impfung einzusetzen, weil jeder Tumor anders ist. Das heisst, man muss für jeden Patienten eine eigene, auf ihn zugeschnittene Impfung herstellen. Das ist sehr aufwändig, aber wird im Moment geprüft und getestet. Ob und wann das für die Patienten einsetzbar ist, ist im Moment nicht abzuschätzen.

Bei den Frauen ist die Sterberate für Krebs im Zeitraum von 1988 bis 2017 im Durchschnitt um 28 Prozent und bei den Männern sogar um 39 Prozent zurückgegangen.

Auch Daniel Aebersold, Vorsitzender des UCI Tumorzentrums Bern und Direktor und Chefarzt Radio-Onkologie des Inselspitals Bern, betont: «Krebs ist heute nicht mehr immer ein Todesurteil. Es gibt immer mehr Patienten, die Krebs definitiv überleben. Es gibt auch immer mehr Patienten, die nicht formal geheilt sind, aber trotzdem länger überleben, im Sinne einer chronischen Erkrankung.» Der Grund für die besseren Überlebenschancen seien ein gesünderer Lebensstil und der medizinische Fortschritt.

Regionaler und europäischer Vergleich

Die Schweiz hat mit dieser Überlebensrate auch im internationalen Durchschnitt hohe Werte. Verglichen mit neun europäischen Ländern hat die Schweiz bei den Männern nach Schweden die zweitniedrigste und bei den Frauen die niedrigste krebsbedingte Sterberate. Auch die Neuerkrankungsrate ist im Vergleich tief: Lediglich Österreich weist eine noch tiefere Rate als die Schweiz auf.

Der regionale Vergleich zeigt ausserdem, dass in der Westschweiz und im Tessin die Krebserkrankungen allgemein häufiger vorkommen als in der Deutschschweiz. Auffallend ist, dass bei den mit Alkohol und Tabak assoziierten Tumoren dieser Unterschied besonders ausgeprägt ist.

Tagesschau, 14.10.2021, 19:30 Uhr

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