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Neues Arbeitsmodell In dieser Küche wird nur vier Tage gekocht

Ein Berner Wirt versucht, mit einem neuen Arbeitsmodell qualifizierte Köchinnen und Köche anzulocken und zu behalten.

Kevin Weyermann führt eine stattliche Beiz, das Hotel Restaurant Hirschen im Dorfzentrum von Langnau im Emmental. Er ist der Wirt und derjenige, der beschlossen hat, seinem Personal einen freien Tag pro Woche zu schenken. Das mache den Beruf attraktiver, sagt der 30-Jährige.

So funtkioniert die Viertagewoche im Hirschen

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Normalerweise arbeiten Köchinnen und Köche je 8.5 Stunden am Tag, 5 Tage die Woche.

Im Hirschen in Langnau gilt neu das Modell, dass sie pro Tag 10.5 Stunden arbeiten, dafür aber nur noch an 4 Tagen. Sie arbeiten gleich viel, aber haben trotzdem einen Freitag mehr.

Bisher gab es für die Angestellten eine Zimmerstunde am Mittag; tote Zeit, Zeit, die man selbst füllen musste. Diese wird im neuen Modell produktiv genutzt: «Wir bereiten beispielsweise Gemüse für die nächsten Tage vor», so der Wirt.

Wer in der Küche arbeitet, ist sich lange Tage und kurze Wochenenden gewohnt. Unattraktive Arbeitsbedingungen. Dementsprechend schwierig sei es, eine Stelle neu zu besetzen. Mit der Umstellung erhofft sich Kevin Weyermann nun, ein attraktiverer Arbeitgeber zu sein.

Wir müssen uns irgendwie attraktiv machen.
Autor: Kevin Weyermann Wirt Hirschen Langnau

Nur eine Handvoll Gastronomiebetriebe in der Schweiz setzen bisher auf ein solches Modell. Inspiriert wurde Weyermann von Philipp Albrecht vom Parkhotel in Winterthur. Dieser arbeitet seit vergangenem Jahr mit der Viertagewoche. Die Idee sei aus der Not heraus geboren, sagt er, er fände sonst kein qualifiziertes Personal.

Die Branche ist neugierig

Es funktioniere natürlich nicht in jedem Restaurant, ist Weyermann überzeugt, aber vielleicht stosse er mit seiner Umstellung auch etwas an: «Die Viertagewoche ist in unserer Branche schon länger im Gespräch. Viele Kollegen waren interessiert und sehr neugierig.» Von offizieller Seite, dem Berner Gastroverband beispielsweise, habe er aber keine Reaktion erhalten.

Gastro Suisse hingegen teilt auf Anfrage mit, dass ihnen bekannt sei, dass solche Arbeitszeitmodelle zunehmen. Das Interesse bei den Angestellten steige. Der Verband empfiehlt deshalb den Betrieben, solche Arbeitsmodelle zu prüfen, weist aber darauf hin, dass das nicht die grosse Lösung für den Fachkräftemangel sei. Das stört den Langnauer Wirt nicht, er probiert es trotzdem.

Die Viertagewoche: International erprobt

Verschiedene Länder sehen Potenzial in der Idee, den Mitarbeitenden mehr freie Tage zu geben. Allerdings setzen die meisten auf ein Modell, bei dem zwar auch nur noch vier statt fünf Tage gearbeitet wird, an den vier Tagen aber nicht länger. Die Menschen erhalten aber trotzdem den vollen Lohn.

Island beispielsweise: Nachdem die Viertagewoche mit 35 Stunden jahrelang getestet wurde, hat die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung nun das Recht auf fünf Stunden kürzere Arbeitszeiten – bei vollem Lohn. Island verspricht sich davon eine Win-Win-Entwicklung mit mehr Lebensqualität einerseits und höherer Produktivität andererseits.

Auch Japan und China liebäugeln mit der Idee und testen diese aus. In Japan wird als Grund ein Fachkräftemangel genannt. Neue Arbeitsmodelle müssten her, um genügend Flexibilität für persönliche Verpflichtungen zu garantieren, zum Beispiel für die Kinderbetreuung.

Regional Diagonal, 26.03.2022, 12:00 Uhr ; 

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