30 Neugierige stehen vor einem alten Tor des Basler Klybeck-Werksareals, als sich dieses knarrend öffnet. An vielen Mauern bröckelt der Putz, an Scheiben hängen Spinnweben, zwischen Bahngeleisen wuchert es grün, und auf Gefahren weisen Warn- und Verbotsschilder schon an der Aussenwand hin. Sicherheitshalber betritt die Gruppe keine Bauten.
Seit die chemisch-pharmazeutische Industrie vor rund einer Dekade ankündigte, ihr Werksgelände im Norden Basels aufzugeben, gibt es viele Ideen, Träume und Diskussionen, wie das künftige Quartier aussehen soll. Investoren haben das Areal gekauft, und der politische Planungsprozess ist angelaufen. 300'000 Quadratmeter in einer Schweizer Stadt sind eine enorme Fläche; entsprechend intensiv wird gerungen.
So sind auch die ersten Publikumsführungen durch Teile des Klybeck-Areals, die sonst noch nicht zugänglich sind, schnell ausgebucht. «Wir halten die Gruppen klein, weil uns der Dialog mit den Interessierten sehr wichtig ist», sagt Christian Mutschler, CEO der Investorin Rhystadt, die eingeladen hat.
Beim Rundgang sind Menschen aus dem Quartier dabei, frühere Chemie-Angestellte und auch Neuzugezogene. Sie tauchen ein in die Geschichte der Chemie- und Pharma-Konzerne und der Stadt, die dank jenen prosperiert. Zum Beispiel wurde in einem Gebäude der originale Ferrari-Rot-Farbstoff hergestellt, gleich nebenan Salbe gegen Muskelschmerzen.
Rundgang durch verbotene Zone
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Bild 1 von 5. Dass auf dem alten Chemieareal keine gemütliche Denkmalführung ansteht, zeigen die Warnschilder hinter den für die Führung bereitgelegten Kopfhörern: «Durchgang verboten» und «Vorsicht! Flurförderfahrzeuge». Bildquelle: SRF/Nina Gygax.
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Bild 2 von 5. Glasfassaden zeigen, dass manches erst vor ein paar Jahrzehnten gebaut wurde. Bildquelle: SRF/Nina Gygax.
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Bild 3 von 5. Historisch gewachsen ist das Ensemble von Baustilen und Gebäudefunktionen. Bildquelle: SRF/Nina Gygax.
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Bild 4 von 5. An der alten Werkspforte werden die zugänglichen Arealteile erklärt. Bildquelle: SRF/Nina Gygax.
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Bild 5 von 5. Von diesen Werksgebäuden am Rheinufer soll nur das Hochhaus (rechts) stehen bleiben – man sieht es von der Brücke und Autobahn aus. Bildquelle: zVG. Kanton Basel-Stadt Bilddatenbank.
Die Teilnehmenden habe viele Fragen: Wo kommen Bäume hin? Wie hoch werden Bauten? Wo fährt das neue Tram? Was passiert mit den gefährlichen Altlasten? Ein Mann schwärmt bereits vom Rheinblick der am Ufer geplanten Wohnungen. «Es ist ja ein Riesenquartier», sagt ein anderer.
Wir müssen ja lernen, mit diesen Dreckstoffen umzugehen, die man hier verbrochen hat.
Gift im Boden und alten Wänden ist nach vielen Schlagzeilen ein sehr präsentes Thema an dieser Samstags-Führung. Ein Mann hofft, dass sich die Akteure zusammenraufen und das Altlasten-Problem rasch lösen. «Wir müssen ja lernen, mit diesen Dreckstoffen umzugehen, die man hier verbrochen hat», sagt ein anderer.
Mutschler verspricht, die Investoren würden ihre Sorgfaltspflicht wahrnehmen bei Neubauten, Sanierungen und auch beim Grünraum. Die meisten der bekannten und lokalisierten Giftstoffe im Klybeck müssen erst dann entfernt werden, wenn etwas verändert wird. Teils würde eine Sanierung derart aufwändig, dass der Kanton sie nicht vorschreibt, sondern selbst Denkmalwürdiges zum Abriss freigibt, wie den ikonischen «Bau 90» mittendrin am Klybeckplatz.
Ich bin überzeugt, dass der Kanton und die anderen Beteiligten einen guten Job machen werden.
An der Führung überwiegt das Vertrauen, dass die Ämter gut hinschauen. «Ich bin überzeugt, dass der Kanton und die anderen Beteiligten einen guten Job machen werden, damit das eine lebenswerte Umgebung ergibt», sagt ein Teilnehmer.
Das Klybeck-Areal liegt nicht brach, sondern die Transformation läuft; in diversen Gebäuden sind neue Mietende eingezogen, darunter der Kaufmännische Verein KV für seinen Schulbetrieb in einem Ex-Direktionsgebäude und die Basler Verkehrs-Betriebe mit einem provisorischen E-Bus-Depot.
Die Transformation ist angelaufen
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Bild 1 von 4. Das Fabrikationsgebäude «Bau 90», das nachträglich als Erdbebenschutz ein äusseres Stahlträgerskelett erhielt, wurde zwar als denkmalschutzwürdig eingestuft. Weil es aber derart kontaminiert ist, dass eine Sanierung sehr tiefe Eingriffe erfordern würde, hob die Regierung den Schutzstatus wieder auf. Bildquelle: SRF/Nina Gygax.
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Bild 2 von 4. In dieses frühere Direktionsgebäude der Ciba beim Kleinbasler Brückenkopf, das später BASF nutzte, ist inzwischen der kaufmännische Verein KV eingezogen, bis sein eigenes Schulgebäude saniert ist. Darin geplant ist ein Beherbergungsbetrieb. Bildquelle: zvg/Kanton Basel-Stadt Bilddatenbank.
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Bild 3 von 4. Die Investoren versprechen viel Grün in ihrem Grossprojekt, hier die sogenannte «Esplanade». Bildquelle: zcg/Klybeckplus.
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Bild 4 von 4. Stehen bleiben und «umgenutzt» werden sollen auch diese Gebäude mitsamt Passerelle hoch über dem Tram Nr. 8. Bildquelle: zvg/Kanton Basel-Stadt Bilddatenbank.
Derweil feilen die Investoren angesichts der vielen Reaktionen an ihren Plänen. Bis Ende 2026 wollen sie ihren Bebauungsplan vorlegen, den man für Wohnnutzungen braucht. Wenn dieser das Parlament übersteht, sind die Stimmberechtigten am Zug. Danach folgen Baugesuche, und erste Wohnungen werden wohl frühestens 2028 bezogen.