Wer einen biometrischen Pass braucht, muss in ein Ausweiszentrum. Die Oberwalliserinnen und Oberwalliser mussten dafür bisher nach Sitten.
Nun hat der Kanton ein neues Ausweiszentrum in Visp eröffnet. Durch diese Dezentralisierung wolle man näher zur Bevölkerung, hiess es. Ein Teil der Bevölkerung – Menschen im Rollstuhl – ging dabei aber offenbar komplett vergessen.
Probleme bei Parkplatz, Treppe, Türe und Schalter
Ein Augenschein vor Ort mit Christoph Müller, Geschäftsführer der Beratungsstelle Procap Oberwallis, zeigt: Die Probleme beginnen schon beim Parkplatz. Müller weist einen Mann zurecht, der sein Auto unerlaubterweise auf dem Behindertenparkplatz abgestellt hat. Müller nimmt es ihm nicht übel, weil der Behindertenparkplatz kaum als solcher erkennbar ist: «Am Boden fehlt die Markierung und er hat nicht die vorgeschriebene Breite.»
Viele Barrieren
Beim Weg zum Gebäude fallen Rillen im Boden auf. Diese könne man mit dem Rollstuhl nur schwer überwinden, und im schlimmsten Fall kippe jemand um. Am Gebäude hat es dann zwar eine Treppe mit Rollstuhllift, welcher erst Wochen nach der Eröffnung installiert wurde. Das Problem hier: «Es fehlt eine Klingel, mit der man Hilfe anfordern kann. Weil die Bedienungshebel des Liftes zu hoch sind.»
Als ich sah, wie hoch der Schalter ist, lief es mir kalt den Rücken runter.
Weiter geht es bei der Eingangstür des Gebäudes. Diese ist laut Müller zu schwer. Er ist überzeugt, dass eine Person im Rollstuhl die Türe nicht selbst aufmachen kann. Hinter der Eingangstür kommt die nächste Hürde: Der Schalter ist viel zu hoch. «Eine Person im Rollstuhl hat hier keine Chance, sich bedienen zu lassen.»
Diese Erfahrung hat zum Beispiel Vanessa Grand gemacht. Die 43-Jährige leidet an einer Glasknochenkrankheit und ist auf den Rollstuhl angewiesen. «Als ich sah, wie hoch der Schalter ist, lief es mir kalt den Rücken runter», sagt sie.
Das Problem mit dem Schalter
«Es ist schade, dass man etwas Neues jetzt schon wieder umbauen muss», sagt Christoph Müller. Das kantonale Gesetz über die Eingliederung behinderter Menschen verlange dies aber so.
Kanton hält sich nicht an eigene Regeln
Procap, die Beratungsstelle für hindernisfreies Bauen, hätte bei diesem Bauprojekt bereits im Vorfeld angehört werden sollen. Im Kanton Wallis muss bei privaten Bauten, welche vier oder mehr Wohneinheiten haben, zwingend Procap beigezogen werden. Gleiches gilt für öffentliche Gebäude. Geschäftsführer Christoph Müller kann nicht verstehen, dass sich nun ausgerechnet der Kanton nicht daran hält.
Es ist untergegangen.
Wie konnte es so weit kommen? Die Frage geht an Rita Wagner. Die stellvertretende Kantonsarchitektin ist für den Bau des Zentrums zuständig. «Es hat vielleicht damit zu tun, dass wir hier innert kürzester Zeit planen und bauen mussten», sagt Wagner und fügt an, dass die Umstände auch sonst schwierig gewesen seien, mit wenig verfügbaren Unternehmern und Baumaterialien.
Das hindernisfreie Bauen sei «untergegangen». «Beziehungsweise wir hatten das Gefühl, selbst zu wissen, was es dafür braucht», so Wagner. Man werde jetzt nachrüsten, zum Beispiel mit einer besseren Markierung beim Parkplatz oder einer Klingel beim Treppenlift.
Schalter bleibt Streitpunkt
Die Höhe des Schalters werde jedoch nicht angepasst, so Wagner. Wenn sich jemand anmelde, der im Rollstuhl sitzt, werde die Person im Wartebereich abgeholt und direkt in den sogenannten Biometrieraum gebracht. «Dieser Tisch ist genug tief, wir können dort alles abwickeln», sagt Wagner.
Vanessa Grand gibt sich damit nicht zufrieden. Sie möchte, wie alle anderen auch, am Schalter bedient werden.