- Die Debatte über die No-Billag-Initiative im Nationalrat ist nach vier Stunden und 40 Minuten unterbrochen worden.
- Bis dahin hatte sich erst die Hälfte der 69 Rednerinnen und Redner geäussert.
- Das Geschäft wird am Montag der dritten Sessionswoche «open end» zu Ende beraten.
- Die Gegner der Initiative betonten die Bedeutung der SRG für den Zusammenhalt und die ganze Medienlandschaft der Schweiz inklusive den privaten Anbietern.
- Die SVP setzte zu einem SRG-Bashing an und propagierte ihren Gegenvorschlag zur Halbierung der Empfangsgebühren.
Alles, gar nichts oder nur noch die Hälfte?
Das bestehende Modell habe sich für die direkte Demokratie bewährt, schliesse es doch die Bevölkerung aller Landesteile ein und umfasse alle Mehr- und Minderheiten. Dazu brauche es den umfassenden Service public durch die SRG, umriss Kommissionssprecher Martin Candinas (CVP/GR) die Ausgangslage und weiter: «Ohne die Gebühren gäbe es nicht nur die SRG nicht mehr, sondern auch viele Regionalsender würden nicht überleben.»
Auch mit einer Halbierung der heutigen Empfangsgebühren für Radio und Fernsehen gemäss einem Gegenentwurf würde laut Candinas die SRG massiv geschwächt und ebenso die 34 regional konzessionierten Radio- und Fernsehstationen mit Gebührenanteil. Die Kommissionsmehrheit spreche sich deshalb für eine verstärkte Kooperation zwischen der SRG und den Privaten zur Stärkung des Medienplatzes Schweiz aus und empfehle, wie der Ständerat, sowohl Initiative wie auch Gegenvorschlag abzulehnen.
Gegenvorschlag der SVP als «Mittelweg»?
Gregor Rutz (SVP/ZH) vertrat den Gegenentwurf für eine Gebührenhalbierung auf höchstens 200 Franken: «Wir müssen hier über Medienfreiheit und Medienvielfalt diskutieren.» Es brauche möglichst viele, inhaltlich und finanziell unabhängige Medien. Die ganze Debatte habe auch eine wirtschaftliche Dimension, stellten sich doch auch Gewerbeverband und Economiesuisse hinter seinen Gegenvorschlag – als Mittelweg zwischen den beiden «Extremvarianten».
Amstutz mit Rundumschlag gegen Serien und Sendungen
SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz (BE) machte deutlich, dass die SVP für einen «zielgerichteten Service public» einstehe, aber nicht für eine staatliche Rundumversorgung. Service public, was der Markt nicht selbst erbringen könne. Der SVP-Fraktionschef kritisierte die eingekauften ausländischen TV-Serien, aber auch die «Arena»-Sendung, welche politischen Akteure nach Belieben aussuche. Den Ratsmitgliedern warf er vor, sie präsentierten sich bereits so, dass sie auf den öffentlichen Kanälen möglichst gut wegkämen.
Matthias Aebischer (SP/BE) entgegnete Amstutz, es gehe nicht darum, wem welche Sendung besonders gut gefalle – wobei auch er sehr gerne Fussball schaue. Es könne aber nicht sein, dass den Medien die Programmauswahl vorgeschrieben werde.
Rickli sieht Versorgung auch bei halben Gebühren gesichert
Die SRG-Einnahmen seien innert 30 Jahren um 112 Prozent gestiegen, sagte Natalie Rickli (SVP/ZH). Just als die privaten Sender auf den Markt getreten seien, habe die SRG ihr Angebot ausgebaut. Damals sei es verpasst worden, den Service public zu fokussieren. Rickli stellte sich hinter den Gegenvorschlag und behauptete, die Versorgung der Randregionen sei auch so weiterhin garantiert. «Staatliche Medienfinanzierung in einer Demokratie ist ein Unding», gab sie sich überzeugt. Die Schweiz existiere nicht wegen der SRG.
Reimann ortet «ungesundes Abhängigkeitsverhältnis»
Aus dem Initiativkomitee der «No Billag»-Initiative meldete sich SVP-Nationalrat Lukas Reimann zu Wort. Für ihn «besteht heute ein ungesundes Abhängigkeitsverhältnis der SRG vom Staat». Lokale News beziehe er von privaten Regionalsendern und «sicher nicht von der SRG». Mit dem Anteil aus dem Gebührensplitting halte die SRG diese Sender künstlich klein, kritisierte er.
Ritter: Unabhängiger Journalismus dank Gebühren
Die Recherche durch unabhängige Medien sei im System der Schweiz enorm wichtig, sagte Bauernpräsident Markus Ritter (CVP/SG). Die SRG sei diesbezüglich ein ganz zentraler Pfeiler des nationalen Zusammenhalts.
Jeder habe schon etwas gesehen, das ihn gestört habe. Doch die Angebote der öffentlichen und privaten Anbieter seien auf einem sehr guten Niveau: «Dank Gebühren können wir ein gutes Netzwerk an unabhängigem Journalismus aufrechterhalten.»
Kurt Fluri (FDP/SO) betonte, dass die heutige Situation der SRG eine Lösung sei, die sich nicht nur auf die Massen und die Verkäuflichkeit ausrichte, sondern auch auf Kultur und kleine und regionale Bevölkerungsgruppen.
Für Fluris Parteikollegin Doris Fiala muss die SRG in Zeiten von «Fake News» der digitalen Meinungsbeeinflussung etwas entgegenhalten.
GLP propagiert Gebührendach
Jürg Grossen (GLP/BE) warb für einen indirekten Gegenvorschlag mit einem Plafond von 1,1 Milliarden Franken. Denn wegen Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum stiegen die Einnahmen der SRG kontinuierlich, ohne dass sie mehr Leistungen erbringen müsse. Die Kommission hatte es allerdings abgelehnt, eine solche Initiative einzureichen.
Graf-Litscher: Viele würden abwandern
Bei Annahme der Initiative müsste die SRG Standorte schliessen, Stellen gingen verloren, und Zuschauer würden vermehrt zu ausländischen Sendern abwandern, gab Edith Graf-Litscher (SP/TG) zu bedenken. «Schauen wir der Realität in die Augen: Ein Menu à la carte wäre teurer.» Ausserdem könnten Online-Angebote die entstehende Lücke nicht füllen, die Zahlungsbereitschaft sei zu gering.
Rytz: «Privat ist nicht billiger»
«Privat ist nicht besser und billiger als der Service public», erklärte Regula Rytz (Grüne/BE) und verwies auf das grosse Sport-Angebot der SRG. Auch die SRG müsse sich aber wandeln und in die Online-Präsenz investieren, ihr Profil schärfen und mehr Junge ansprechen. Auch die Grünen wollten die SRG nicht unter Heimatschutz stellen, aber eine «Schrumpf-SRG», wie sie der SVP-Gegenvorschlag vorsehe, sei der falsche Weg.
Kritik von der BDP trotz doppeltem Nein
Auch die BDP lehnt sowohl Initiative als auch den Gegenvorschlag der SVP ab. Der Aargauer Nationalrat Bernhard Guhl verlangte jedoch, «dass die SRG mehr spart». Speziell der Unterhaltungsbereich solle Privaten überlassen werden. Bei einer Annahme der No-Billag-Initiative befürchtet er, dass italienische Verhältnisse in die Schweiz einkehren würden. Er spielt dabei auf das Medienmonopol von Silvio Berlusconi an.