Er ist eine Ausnahmeerscheinung: Michael Diefenbach ist der einzige Mann im grossen Team der Mütter- und Väterberatung der Stadt Zürich. Seit Anfang Jahr übt er diesen Job aus und sagt: «Es ist eine Herausforderung.» Denn auch für ihn sei vieles noch neu.
Diefenbach soll eine Lücke im Zürcher Beratungsangebot schliessen. Untersuchungen der Stadt haben gezeigt, dass Männer bislang deutlich weniger Beratungen in Anspruch genommen haben als Frauen. Nur gerade jede sechste Anfrage stammt von einem Mann. Dies habe auch damit zu tun, dass viele Väter in Gesprächen lieber ein männliches Gegenüber hätten. Und weiter seien auch «vaterspezifische Angebote gewünscht», ergänzt Michael Diefenbach.
Männer fragen sich, welche Art Vater sie sein möchten
Mit der Anstellung eines Mannes will die Mütter- und Väterberatung diesem Bedürfnis nun Rechnung tragen. Der 36-Jährige baut jetzt ein Angebot auf, dass sich konkret der Vaterrolle widmet. Geplant sind Einzelberatungen, Online-Veranstaltungen und Gruppenangebote. Väter können dort Informationen einholen zur Vaterrolle oder zu den kommenden Aufgaben und Herausforderungen.
Es sind sehr persönliche Themen, die Väter besprechen möchten.
Diefenbach ist ausgebildeter Sozialarbeiter und hat in dieser Funktion schon früher Väter begleitet. Dass das Bedürfnis von Männern nach einer Väterberatung steigt, begründet er mit einem neuen Selbstverständnis der heutigen Vätergeneration. «Männern sind Beziehungen in der Familie wichtig, gerade auch der Fokus auf die Gefühlsebene», so Diefenbach. «Es sind sehr persönliche Themen, die Väter besprechen möchten.»
Eine zentrale Frage, die viele Väter beschäftige, sei: «Welcher Vater will ich sein?» Es gehe darum zu definieren, was einem als Vater wichtig sei. Und darum, wie die Beziehung zu Frau und Kind gestärkt werden könne.
In Bern ist das Angebot bereits etabliert
Die Stadt Zürich stärkt also das Beratungsangebot für Väter, ist damit aber keineswegs Pionierin auf diesem Gebiet. Bereits vor drei Jahren ging der Kanton Bern diesen Weg und stellte mit Remo Ryser den schweizweit ersten Väterberater an. Er sagt: «Heute kommen viermal mehr Anfragen von Vätern zu uns als zum Zeitpunkt des Starts.»
Konkret heisst das: Remo Ryser führt heute vier bis sechs Beratungsgespräche pro Woche. Und dabei habe sich gezeigt, dass sich Väter im Gespräch mit Männern besser öffnen könnten. «Sie suchen nach einer männlichen Vertrauensperson – in der Hoffnung, ernst genommen zu werden, weil das Gegenüber die Situation aus Sicht des Mannes, des Vaters kennt.»
Das Bedürfnis nach Väterberatung wächst vielerorts der Schweiz. Nach Bern stellten auch die Kantone St. Gallen und Zürich im vergangenen Herbst die ersten Väterberater ein. Und in der Stadt Zürich ist Michael Diefenbach bald nicht mehr alleine: Im Herbst folgt mit Christoph Neurohr ein weiterer Mann.