Die meisten der täglich gut 250'000 Zugreisenden bemerken von Berns grösster Baustelle fast nichts – obschon sie quasi darüber hinwegfahren. 20 Meter führt ein gigantischer Schacht am Rande des SBB-Bahnhofs in den Untergrund, wo der neue RBS-Tiefbahnhof entsteht.
Unten im Loch zeigt RBS-Gesamtprojektleiter Adrian Wildbolz mit seiner Hand zur Tunnelwand, die ihm einige Sorgen bereitete. «Bei den Grabungsarbeiten sind wir auf Findlinge und Öl gestossen. Keine richtige Ölquelle natürlich, auf Altlasten aus den letzten 100 Jahren», sagt er, während ein grosser Schaufelbagger durch den Schlamm Richtung Kaverne fährt.
Bei den Grabungsarbeiten sind wir auf Findlinge und Öl gestossen.
Diese Altlasten haben den Planerinnen und Planern gehörig einen Strich durch die Rechnung gemacht. Denn der neue RBS-Tiefbahnhof und die zusätzliche SBB-Unterführung können nun erst ab 2028 statt wie geplant 2027 eröffnet werden. Dadurch verteuern sich die Projekte um gut 130 Millionen Franken. Bereits 2019 mussten die Verantwortlichen eine zweijährige Verzögerung verkünden.
Im Untergrund von Berns Jahrhundert-Baustelle
Verzögerungen trotz 24-Stunden-Betrieb
Ein Blick in Berns grösstes Loch zeigt, warum kleinere Probleme grosse Auswirkungen auf den Zeitplan haben können. Es ist ein Bau am Limit: Seit Baustart 2017 arbeiten die Mineure bereits im 24-Stunden-Schichtbetrieb. «Mehr geht schlicht nicht. So können wir die Verspätungen nicht mehr aufholen», bedauert Wildbolz.
Das Timing sei bei so einem Grossprojekt unglaublich schwierig. «Man weiss trotz allen Abklärungen nie genau, was noch kommt oder welche Überraschungen der Untergrund noch bereit hat.» Baue man zu viele Reserven ein, verzögere dies den Bau ebenfalls und führe zu Mehrkosten.
Wildbolz schreitet tiefer in das Bauwerk, wo Dutzende Mineure die Kavernen des RBS-Tiefbahnhofs vorantreiben. Diese sind so breit wie ein grosses Schwimmbecken. Die Luft ist warm und stickig. Auch wegen der Abgase. Bagger, Bohrmaschinen, Betonmischer: Sie sind eine weitere Achillesferse des Projektes: «Wenn etwa ein Bagger kaputtgeht, dauert es Tage oder sogar Wochen, bis ein Ersatz bereitsteht», so Wildbolz. Sämtliche Geräte müssten per Kran ins Loch gehievt werden. Manchmal sei es gar nötig, ganze Maschinen zu zerlegen.
Neben den Ölfunden haben auch Auswirkungen von Corona das Projekt verzögert. «Zeitweise waren wir nicht mehr handlungsfähig, weil wir keine Ersatzteile für Geräte gekriegt haben», so der Berner Projektleiter. Während der Grenzsperrungen seien zwei Ingenieure von Bern eigens nach Belgien gereist, um Material zu beschaffen. «Auf dem Rückweg trugen sie extra Arbeitskleidung, damit sie nicht an den Grenzkontrollen hängen bleiben.»
Die Zukunft des Bahnhofs Bern: So wird er einmal aussehen
Zürcher Durchmesserlinie kämpfte ebenfalls mit Verzögerungen
Die Verzögerungen beim Bau des RBS-Tiefbahnhofs wirken sich direkt auf die Bauarbeiten der SBB-Unterführung aus. Solange die Kaverne der RBS-Station nicht fertig ist, kann der Durchgang von der Länggasse bis zum Bubenbergplatz nicht weitergebaut werden. Zu gross sind die Abhängigkeiten. «Wir wären eigentlich im Zeitplan», sagt SBB-Gesamtprojektleiter Benno Nussberger vielsagend.
Wie geht es nun weiter? Eine Garantie, dass der Bau bis 2029 tatsächlich fertig ist, kann Wildbolz von den RBS nicht abgeben. «Für die schwierige Schlussphase des Projektes haben wir zusätzlich Zeit eingeplant. Ich bin überzeugt, dass der Zeitplan aufgeht.»
Gut zu wissen: Der neue RBS-Tiefbahnhof und die SBB-Unterführung sind das Berner Pendant zur Zürcher Durchmesserlinie. Diese wurde 2014 eröffnet – mit einer Verzögerung von einem halben Jahr.