Letzte Woche hat Michael Schibli Post vom Kanton Nidwalden bekommen. Einen Brief, um genau zu sein. Dessen Inhalt liess den Treuhänder aus dem Kanton Aargau aufhorchen. Er wird darauf aufmerksam gemacht, dass das Nidwaldner Stimmvolk diesen September eine Steuererleichterung beschlossen hat, die Pensionären zugutekomme.
Ein Versuch, Steuerzahler abzuwerben
Nidwalden verfüge «mit der aktuellen BVG-Besteuerung und tiefen Einkommenssteuern über äusserst attraktive Konditionen für natürliche Personen». Der Zentralschweizer Kanton sei «der richtige Ort, um die dritte Lebensphase zu geniessen». Bei der «Planung einer Wohnsitzverlegung» stehe die Wirtschaftsförderung unterstützend zur Seite.
Der Brief ist ganz offensichtlich ein Versuch, dem Kanton Aargau die Steuerzahler abzuwerben. Entsprechend irritiert reagierte Schibli darauf: «Es kam mir vor wie eine ungefragte Aufforderung, den Kanton zu wechseln», sagt er gegenüber Radio SRF.
Befremden im Aargau
Wobei der Brief nicht in erster Linie auf Schibli selbst abzielt, sondern auf seine Kundinnen und Kunden. Als Treuhänder übernimmt er in Steuerfragen eine beratende Funktion – auch bezüglich des Wohnortes.
Beim Kanton Aargau zeigt man sich gar nicht erfreut über die Abwerbe-Versuche Nidwaldens. Die Regierung nehme den Brief «mit Befremden zur Kenntnis», sagt Claudia Penta, die Sprecherin des Aargauer Finanzdepartements. «Das ist ein unübliches Vorgehen im Steuerwettbewerb.»
«Schlechter Stil»
Tatsächlich werden solch offensive Abwerbe-Strategien in der Schweiz gar nicht gern gesehen. Diese Erfahrung machte die Luzerner Kantonsregierung bereits vor zehn Jahren. 2010 verschickte der damalige Finanzdirektor Marcel Schwerzmann zirka 2500 Briefe, in denen er Unternehmen den Umzug nach Luzern schmackhaft machte. Das Argument: Luzern halbiere die Gewinnsteuer.
Die Kritik kam postwendend. Der damalige Zuger Finanzdirektor Peter Hegglin sprach etwa von «schlechtem Stil» der Luzerner. Ausserdem wurde die Aktion auch an der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren thematisiert und scharf kritisiert.
In Nidwalden liess man sich von den negativen Erfahrungen des Nachbarkantons offenbar nicht davon abbringen, selbst auch solche Briefe zu verschicken. Was die Nidwaldner Wirtschaftsförderung zu dieser Strategie bewogen hat, bleibt unklar. Deren Antworten auf die Fragen von SRF sind seit Montag hängig.