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OSZE-Delegation in Wien Suspendiert: Schweizer Oberst hat Infos an Russland weitergegeben

Ein Mitarbeiter der OSZE-Delegation ist seit Monaten von seinen Funktionen entbunden. Die Militärjustiz ermittelt.

Der Mann, der im Fokus dieser Affäre steht, ist ein gewichtiger Mitarbeiter im Verteidigungsdepartement: Oberst, seit über 20 Jahren beim VBS tätig und zuletzt auf wichtigen Auslandsposten. So bis Mitte letzten Jahres in Wien bei der Schweizer Delegation der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.

Doch seit über einem halben Jahr sitzt der langjährige Mitarbeiter unfreiwillig wieder in der Schweiz.

In die Schweiz zurückbeordert

Strafversetzt, wie mehrere Personen gegenüber SRF Investigativ sagen. Der Vorwurf: Er soll im Sommer 2024 Informationen an Russland weitergegeben haben.

Auf Anfrage bestätigt das Verteidigungsdepartement, es habe «Kenntnis von Vorwürfen, weshalb der betroffene Mitarbeiter Ende 2024 in die Schweiz zurückgerufen wurde.»

Dokument weitergegeben

Aus seinem beruflichen Umfeld gibt es Kritik an dieser Strafversetzung: Diese sei unverhältnismässig, alles drehe sich um einen einzigen Vorfall. Der Schweizer Oberst habe ein Dokument an die russische Delegation übergeben – doch dieses Dokument sei wenige Stunden später ohnehin OSZE-weit geteilt worden.

Die OSZE hat ihren Hauptsitz in der Wiener Hofburg.
Legende: Die OSZE hat ihren Hauptsitz in der Wiener Hofburg. Slavko Sereda/iStock

Die Schweizer Behörden hätten wohl nur auf Druck von anderen Staaten so hart reagiert, mutmassen mehrere Personen, die mit dem Fall vertraut sind.

Geheimdienst-Aufsicht ist involviert

Allerdings zeigen die Recherchen von SRF Investigativ: Der Fall wird nicht nur beim VBS abgeklärt, es handelt sich auch um eine Geheimdienstangelegenheit. Die beiden Geheimdienst-Aufsichtsbehörden AB-ND und GPDel sind darüber informiert.

Das sagen die Aufsichtsbehörden des Geheimdienstes

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Der Schweizer Geheimdienst – der Nachrichtendienst NDB – ist dem VBS unterstellt und verfügt gleich über zwei Aufsichtsbehörden: Die AB-ND und die Geschäftsprüfungsdelegation GPDel, die aus Parlamentsmitgliedern besteht. Beide Aufsichtsbehörden wollen die Vorwürfe gegen den Schweizer Oberst nicht kommentieren. Die AB-ND schreibt, sie verfüge über Kenntnisse im Zusammenhang mit dem Fall. Sie äussere sich aber nur im Rahmen von abgeschlossenen Prüfverfahren. «Es wurde zur Zeit noch kein Bericht oder eine Zusammenfassung des Berichts veröffentlicht, der/die diese Sachverhalte berücksichtigt.» Auch Stefan Müller-Altermatt, Präsident der parlamentarischen Geheimdienstaufsicht GPDel, teilt mit, die Geschäftsprüfungsdelegation äussere sich «grundsätzlich nicht zu allfälligen laufenden Abklärungen.» Der geschilderte Fall würde nicht primär in den Verantwortungsbereich der GPDel fallen.

Zudem ermitteln die militärischen Strafbehörden. Diese kommen etwa dann zum Zug, wenn Militärangehörige einer Straftat verdächtigt werden.

Militärjustiz untersucht

Die Militärjustiz habe eine Untersuchung eingeleitet, teilt das Verteidigungsdepartement mit. Es gelte die Unschuldsvermutung. Weitere Angaben macht das VBS aus Persönlichkeitsschutzgründen keine.

Gegen wen ermitteln die Militärstrafverfolger? Geht es bloss um die erwähnte Weitergabe eines einzelnen Dokumentes oder um weitere Vorwürfe? Die Dimension bleibt unklar. Im Militärstrafrecht reicht die Kaskade von leichten Delikten bis zu schweren Verstössen wie Verletzung militärischer Geheimnisse oder Spionage.

Der Schweizer Oberst teilt auf Anfrage mit, er sei nicht befugt, über dienstliche Angelegenheiten zu sprechen. Mehrere mit dem Fall vertraute Personen sagen gegenüber SRF: Er kämpfe derzeit für seine Rehabilitierung.

Schweiz übernimmt bald OSZE-Vorsitz

Für die Schweiz ist der OSZE-Posten in Wien bedeutsam: 2026 übernimmt sie den Vorsitz der Organisation. Der Umgang mit Russland innerhalb der OSZE dürfte dabei ein anhaltend wichtiges Thema bleiben.

2014 begrüsste der Schweizer Bundesrat Didier Burkhalter den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Wien.
Legende: Bild aus einer anderen Zeit Als die Schweiz 2014 den OSZE-Vorsitz innehatte, begrüsste der damalige Schweizer Bundesrat Didier Burkhalter den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Wien. Ronald Zak/Keystone-SDA

Das Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA schreibt auf Anfrage, die Schweiz werde nächstes Jahr «mit allen OSZE-Teilnehmerstaaten in Kontakt stehen, auch mit Russland.» Der Dialog und die Zusammenarbeit mit allen Teilnehmerstaaten sei der einzige Weg, um friedliche und nachhaltige Lösungen für Kriege, Krisen und Konflikte zu finden.

Die OSZE gilt als einzige regionale Sicherheitsorganisation, die Ost und West, namentlich Russland und die USA, zusammenbringt. Allerdings gab es in den letzten Jahren verschiedentlich Medienberichte, wonach die Zusammenarbeit innerhalb der Organisation blockiert sei und Russland diese für Sabotage und Spionage ausnutze.

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Heute Morgen, 8.8.2025, 6 Uhr;weds

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