Der Nationalrat will Kinder und andere schutzbedürftige Personen besser vor Sexual- und Gewaltstraftätern schützen. Die grosse Kammer folgte somit dem bundesrätlichen Gegenvorschlag zur Volksinitiative, die es Pädophilen verbieten soll, mit Kindern arbeiten zu dürfen. In der Gesamtabstimmung wurde der Gegenvorschlag oppositionslos mit 176 Stimmen angenommen und an den Ständerat verwiesen.
Statt des automatischen lebenslänglichen Berufsverbots, gegen das es rechtsstaatliche Bedenken gibt, enthält der Entwurf zunächst ein entschärftes 10jähriges Tätigkeitsverbot.
Initiative mit «erheblichen Mängeln»
Im Gegensatz zur Initiative der Organisation «Marche blanche» sieht die Vorlage ein Verbot auch für ausserberufliche Tätigkeiten vor. Zudem schafft sie die Möglichkeit für Kontakt- und Rayonverbote und einen speziellen Strafregisterauszug.
In der Eintretensdebatte war unbestritten, dass der Rat einen «optimalen Schutz bei Gewalttätern» erreichen will, wie sich Daniel Jositsch (SP/ZH) äusserte. Es sei aber gleichzeitig unbestritten, dass die Initiative erhebliche Mängel aufweise. Daher müsse der indirekte Gegenvorschlag des Bundesrates diskutiert und zur Abstimmung gebracht werden. Es mache wenig Sinn, die Initiative «nackt» zur Anwendung zu bringen, so Jositsch weiter.
Appell gegen Verschleppung des Geschäftes
Nationalrat Daniel Vischer (Grüne/ZH) warnte auch davor, die Volksinitiative ohne Gegenvorschlag dem Souverän vorzulegen. «Eine Initiative ist zum Nennwert zu nehmen», rief er seinen Kollegen zu und meinte damit, dass ein Initiativtext im Parlament nicht abgeändert werden darf. In diesem Zusammenhang betonte auch der Aargauer GLP-Nationalrat Beat Flach, dass das Parlament den Richtern massgeschneiderte Instrumente zur Verfügung stellen muss.
Voten aus dem Nationalrat
Einige Ratsmitglieder und auch die zuständige Bundesrätin Simonetta Sommaruga ermahnten die Grosse Kammer zu raschem Handeln. Die SVP befürchtete, dass das Geschäft auf die lange Bank gezogen wird. So appellierte Natalie Rickli (SVP/ZH) für ein rasches Handeln und dafür, dass der Inhalt der Initiative nicht verwässert werde.
Nein zu Sonderregister und Strafmasserhöhung
Die Detailberatung war geprägt vor allem durch eine Debatte über eine gesetzliche Verschärfung des bundesrätlichen Gegenvorschlags. Verschiedene Minderheitsanträge von der Zürcher SVP-Nationalrätin Natalie Rickli forderten unter anderem eine Erhöhung des Strafmasses für Wiederholungstäter oder ein Sonderregister für Gewalt- und Sexualstraftäter.
Die Ratsmitte und -linke sah keinen Grund für diese Verschärfungen. So meinte Beat Flach, dass man zum Beispiel sehr wohl eine Debatte über das Strafmass bei Pädosexuellen führen könne. Wenn dies aber geschehe, dann ganzheitlich und nicht punktuell, wie dies von Rickli gefordert werde. Vischer bemängelte auch, dass Misstrauen gegen jegliche richterliche Anordnung entgegen gebracht werde.
Auch der Antrag für ein Sonderstrafregister wurde mit dem Argument abgelehnt, dass die Strafregister-Revision bereits im Gange ist. Dort könne dann allenfalls auf die besondere Problematik bei den pädosexuellen Straftätern hingewiesen werden. Pirmin Schwander (SVP/SZ) versuchte vergebens den Rat zu überzeugen, dass Taten an Minderjährigen besonders verwerflich seien und daher ein Sonderregister nötig sei.
Ständerat nächste Woche an der Reihe
Keine Mehrheit fand die SVP ferner für ihren Antrag, DNA-Profile nie mehr aus dem Register zu löschen. Die rechtsstaatlichen Bedenken, welche die Minderheitsanträge aufwarfen, führten letztendlich dazu, dass der Rat dem Bundesrat auf voller Linie folgte.
Die Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen» hatte der Nationalrat in der Frühjahrssession überraschend zur Annahme empfohlen, da sich die Gegner nicht auf einen direkten Gegenvorschlag einigen konnten.
Der Ständerat behandelt die Pädophilen-Initiative am Dienstag kommender Woche. Seine Rechtskommission lehnt die Initiative ab. Zum indirekten Gegenvorschlag hat sie sich noch nicht geäussert.