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Pannenzug FV-Dosto SBB-Chef Ducrot: «Wir haben damals richtig entschieden»

Seit der neue Fernverkehrs-Doppelstockzug FV-Dosto auf den Schienen ist, sorgt er für Kritik, Unmut und Häme. 60 Stück des «Schüttelzugs» mit Neigetechnik sind aktuell im Einsatz. Nun wird auf weitere Bestellungen verzichtet. Künftig solle auf erprobte Produkte gesetzt werden, sagt SBB-Chef Vincent Ducrot, der 2010 den Vertrag mit Bombardier auch selbst unterzeichnet hatte.

Vincent Ducrot

CEO der SBB

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Vincebt Ducrot ist seit dem 1. April 2020 CEO der Schweizerischen Bundesbahnen SBB. Von 2011 bis 2020 war er Chef der Freiburger Verkehrsbetriebe TPF. Zuvor hatte er beim SBB-Personenverkehr eine leitende Funktion inne.

Ducrot hat Jahrgang 1962, ist ausgebildet als Elektroingenieur mit Schwerpunkt Informatik. Er ist Vater von sieben Kindern.

SRF News: War der FV-Dosto ein Fehlkauf?

Vincent Ducrot: Das konnte man nicht vorhersagen. Als wir damals entschieden haben, haben wir richtig entschieden. Die Welt sieht 14 Jahre später etwas anders aus. Darum ziehen wir auch ganz klar jetzt die Konsequenzen.

Hat aber die Technik nicht von Beginn an nie richtig funktioniert?

Doch. Die Technik hat so funktioniert, wie man sie bestellt hat. Aber das Bestellte erfüllt nicht mehr die Anforderungen. Das ist etwas Anderes. Der Fahrzeuglieferant hat uns geliefert, was damals bestellt worden ist.

Die Kundschaft erwartet jetzt einfach mehr von uns.

Die Kundschaft erwartet jetzt einfach mehr von uns. Darum haben wir entschieden, noch mehr in den Fahrkomfort zu investieren.

Zu reden geben nach wie vor die Schüttelbewegungen. Wird das jetzt besser?

Diese Schüttelbewegungen haben mit dem Entscheid nichts zu tun, sie hängen mit der Zuverlässigkeit des Systems zusammen. Diese muss erhöht werden, und das ist Teil der Arbeit des Lieferanten Alstom. Wenn man diese Zuverlässigkeit erhöht, werden sich auch die Störungen am System stark reduzieren. Heute gibt es noch zu viele.

Damals wurde eine neuartige, noch nicht bewährte Technik eingekauft. Wird man das in Zukunft anders machen?

Das ist absolut die aktuelle Flottenstrategie: Wir wollen auf bewährte Plattformen setzen und erprobte Produkte kaufen. Die letzten Beschaffungen gehen genau in diese Richtung. Also nicht mehr auf Produkte mit vielen Kinderkrankheiten, die wir laufend mit viel Aufwand weiterentwickeln müssen. Denn das ist teuer und auch für die Kundschaft nicht sehr effizient.

Beim damaligen Kauf hoffte man, dank neuartiger Zugtechnik Ausbauten beim Trassee allenfalls zu vermeiden. Kommt es jetzt zu grossen Ausbauten?

Es muss Ausbauten geben, es sei denn, die Politik will die jetzige Knotenstruktur behalten. Aber wenn man die Ziele erreichen will – Bern-Lausanne und Zürich-St. Gallen in 60 Minuten –, wird man in Ausbauten investieren müssen. Der Entscheid liegt aber nicht bei der SBB. Das wird das Bundesamt für Verkehr prüfen lassen müssen, zuhanden des Parlaments.

Ist das also die teure Folge des heutigen Entscheids?

Das ist so. Aber es ist besser, diese Schritte für die Zukunft jetzt vorzusehen, als 25 Jahre lang eine Technik einzusetzen, die vom Komfort her ungenügend ist, was die Kundschaft nicht akzeptieren würde.

60 Züge sind heute im Einsatz, zwei sollen noch folgen. Es gibt eine Option auf hundert Züge. Was passiert jetzt mit dieser Option?

Wir bestellen immer sehr viele Züge inklusive Optionen. Das ist das Prinzip bei der Eisenbahn. Im nächsten Ausbauschritt bis 2035 gibt es kaum eine Fernverkehrserweiterung. In den nächsten Schritten bis 2050 sind beim Bund eher Investitionen im Regional- und Interregionalverkehr geplant. Es gibt also keinen Bedarf für mehr Fernverkehr-Doppelstockzüge. Deshalb werden wir zurzeit keine weiteren Züge mehr bestellen. Das kann sich auf Wunsch der Politik immer wieder ändern. Dann können wir die Option ziehen. So ist es in den Verträgen vorgesehen.

Das Gespräch führte Matthias Heim.

SRF 4 News, Rendez-vous, 1.7.2022, 12:30 Uhr ; 

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