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Parlament in Krisensituationen «Bundesrat wird vielleicht Unterstützung beim Parlament suchen»

Pandemien, Naturkatastrophen, Konflikte: Das Parlament soll auch in Krisensituationen funktionieren können. Etwa, indem es digital tagt. Die Voraussetzungen dafür will die Staatspolitische Kommission mit einer Gesetzesrevision schaffen. Der Nationalrat hat heute über diese Revision beraten. Der Präsident der Staatspolitischen Kommission, Marco Romano, erklärt im Interview, wie das Parlament krisenresistent gemacht werden soll – und was dies in Bezug auf den Ukraine-Krieg bedeutet.

Marco Romano

Präsident der Staatspolitischen Kommission

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Marco Romano (Mitte/TI) ist seit 2011 Mitglied des Nationalrats. Er ist Präsident der Staatspolitischen Kommission des Nationlarats.

SRF News: In der Covid-Krise hat das Parlament die Session abgebrochen und Kommissionssitzungen abgesagt. Hatten Sie während dieser Zeit das Gefühl, jemanden im Stich zu lassen?

Marco Romano: Es war eine Zeit der Unsicherheit, man wusste nicht, wie die Situation sich entwickelt und man hatte auch Angst. Es ist klar, dass in einer Demokratie das Parlament seine Rolle immer wahrnehmen muss. Und deswegen hat man alles getan, um nach einigen Wochen schon einen normalen Betrieb wiederzufinden, in Respekt der Normen, die damals galten.

Sie sagen es: nach einigen Wochen. Aber zu Beginn hat die Gewaltenteilung eigentlich versagt. Was wollen Sie nun machen, damit dies künftig nicht mehr passiert?

Man kann nicht von einem Versagen sprechen. Es gab eine Situation, in der sich die Kommissionen für zwei Wochen nicht getroffen haben, vor allem die zuständigen Kommissionen. Daraus hat man sofort gelernt. Und heute haben wir im Rat diese Revision durchgebracht. Interessant: Die kam einstimmig aus der Kommission, wo man diese Erfahrungen, die wir jetzt gesammelt haben, im Gesetz kodifiziert hat. Damit man künftig bei Krisensituationen sofort reagieren kann. Und wo klar geregelt ist, dass das Parlament jederzeit tagen kann und tagen muss.

Gibt es eine Krise, die den Parlamentsbetrieb weiterhin gefährden würde?  

Krisen sind a priori unvorhersehbar. Man kann an eine Naturkatastrophe denken, man kann auch an eine schlimmere Pandemie denken. Deshalb hat man auch die Thematik der Digitalisierung lange diskutiert. Die Schweiz will kein digitales Parlament, wir wollen kein E-Parlament. Was wir wollen ist, dass man die technologischen Möglichkeiten so nutzt, damit Ratsmitglieder, die nicht teilnehmen können, sich von zu Hause einschalten können.

Wir sind ein mehrsprachiges Parlament mit Mitgliedern, die jeweils ihre eigene Sprache sprechen. Das bedarf einer physischen Präsenz.

Es gäbe ja auch Möglichkeiten, Kommissionssitzungen öfter online zu gestalten.  Das würde ja vielleicht auch die Vereinbarkeit von Politik und Familie vereinfachen. Wieso gehen Sie da nicht weiter?

Die Diskussion findet in diesem Haus statt. Die Kommissionssitzung, wo man ein Gesetz berät, wo man Artikel nach Artikel, Satz nach Satz diskutiert, das kann man nicht gleich per Zoom oder per Teams machen. Wir sind auch ein mehrsprachiges Parlament mit Mitgliedern, die jeweils ihre eigene Sprache sprechen. Das bedarf einer physischen Präsenz.

Die Änderungen sind vor allem auf eine Notrechts-Situation ausgelegt. Könnten Sie trotzdem auch in Bezug auf den Ukraine-Konflikt nützlich werden?

Sicher, wir haben jetzt die Chance, in dieser dramatischen Krise, dass wir im Moment Session haben. Letzte Woche hat die Sicherheitspolitische Kommission getagt und hat Inputs vom Sicherheitsdepartement bekommen. Morgen früh wird die Staatspolitische Kommission tagen und wir werden von Bundesrätin Karin Keller-Sutter direkt Informationen über die Flüchtlingssituation bekommen. Aber nächste Woche findet keine Session mehr statt. Und so wird es möglich sein, bei Bedarf Kommissionen einzuberufen, die dann elektronisch tagen – vor allem um Informationen zu bekommen.

Aussenpolitik ist traditionell ein Gebiet, bei dem das Parlament etwas weniger zu sagen hat. Aber wo finden Sie in Bezug auf die Ukraine-Krise, hat der Bundesrat noch zu wenig gemacht und müsste das Parlament nachlegen?

Aussenpolitik ist immer auch Innenpolitik, und Sanktionen haben auch eine direkte innenpolitische Auswirkung, so wie auch die Flüchtlingssituation. Die Ankünfte sind heute relevant. Die Organisation mit den Gemeinden, den Kantonen und dem Bund läuft. Und da werden sich sicher die Aussenpolitischen und die Staatspolitischen Kommissionen ständig informieren lassen. Aber man kann jetzt voraussehen, dass der Bundesrat möglicherweise für heikle Entscheide Unterstützung beim Parlament suchen wird. Und da könnte eine elektronische Sitzung nützlich sein.

Das Gespräch führte Larissa Rhyn.

Tagesschau, 14.03.2022, 18:00 Uhr ; 

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