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Parlament nimmt Motion an Schutzstatus S für Ukrainer: Wer braucht Schutz in der Schweiz?

Als vor über drei Jahren Geflüchtete aus der Ukraine in die Schweiz kamen, wurde sehr rasch der Schutzstatus S aktiviert. Nun soll er verändert werden, so will es eine vom Parlament angenommene Motion.

Der Plan zur Umsetzung: Die Ukraine soll in unsichere und sichere Gebiete eingeteilt werden. Wer aus einem sicheren Gebiet stammt, soll künftig keinen Schutzstatus S mehr erhalten. Befürworter wollen so Missbräuche verhindern. Kritiker monieren einen hohen administrativen Aufwand und die schwierige Umsetzung.

Menschen steigen in einen Zug in Odessa, 2022.
Legende: 3.8 Millionen Menschen sind Binnenflüchtlinge in der Ukraine und 5.6 Millionen Menschen sind aus dem Land geflohen. 68'000 befinden sich in der Schweiz. Keystone/Petros Giannakouris

«Es gibt keine sicheren Gebiete in der Ukraine», sagte Bundesrat Beat Jans. Auch weit weg von der Front gebe es Angriffe mit Bomben und Drohnen. Doch die SVP hat sich im Parlament durchgesetzt – mit 96 zu 87, mit Stimmen der FDP und der Mitte.

Der Schutzstatus S ist im Moment de facto eine Personenfreizügigkeit.
Autor: Pascal Schmid Nationalrat (SVP/TG)

Nationalrat Pascal Schmid (SVP/TG) sieht nicht alle Ukrainerinnen und Ukrainer als Kriegsflüchtlinge. Der Auftrag sei klar – jetzt müsse man zwischen sicheren und unsicheren Gegenden, zwischen Schutzbedürftigen und nicht Schutzbedürftigen unterscheiden. «Im Moment ist der Schutzstatus S de facto eine Personenfreizügigkeit mit der Ukraine und das direkt in den Schweizer Sozialstaat. Das ist so nicht richtig gegenüber unserer eigenen Bevölkerung», sagt Schmid.

Erhöhter Prüfaufwand

Umsetzen muss den parlamentarischen Auftrag das Staatssekretariat für Migration (SEM). Der Bundesrat will die sicheren Gebiete nicht namentlich auflisten, damit die Behörde flexibel reagieren kann. Dennoch wird der Aufwand steigen, wie das SEM SRF News mitteilt.

Das sagt das SEM:

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«Das SEM wird weiterhin jedes Schutzgesuch im Einzelfall überprüfen und feststellen, ob der betroffenen Person in ihrem Herkunftsgebiet eine konkrete Gefahr an Leib oder Leben droht. Wir prüfen hier auch jeweils, wo eine Person zuletzt gelebt hat. Bei einer regionalen Differenzierung ist mit einem erhöhten Prüfaufwand bei der Prüfung der Schutzgesuche zu rechnen.»

Migrationsrechtler Alberto Achermann ist skeptisch. Der Aufwand für die Umsetzung der Motion sei sehr gross und ein möglicher Nutzen kaum erkennbar. So spreche die Motion etwa von mehr oder weniger intensiven ‹Kampfhandlungen›.

Was aber bedeutet ‹Kampfhandlungen› in Gebieten, die von Drohnen angegriffen werden? Und wie viele Drohnenangriffe braucht es für die Definition von ‹Kampfhandlungen›? Das wird laut Achermann eine schwierige Aufgabe für die Rechtsanwendung im SEM.

Norwegen als Vorbild

Pascal Schmid glaubt nicht an sehr viel mehr Aufwand. «Wir haben nie gesagt, dass es einfach sei. Aber es geht nicht darum, dass es für die Asylverwaltung möglichst einfach ist, sondern es muss für die Schweizer Bevölkerung richtig sein», so Schmid. «Norwegen macht es vor: Das Land unterscheidet seit fast einem Jahr zwischen sicheren und unsicheren Regionen in der Ukraine.»

Doch in Norwegen hat sich laut Achermann gezeigt: «Die Zahl der Asylsuchenden von Schutzbedürftigen aus der Ukraine hat zugenommen.» Und das bedeute automatisch einen höheren Aufwand bei der Gesuchsbearbeitung. Asylgesuche seien aufwändiger und es sei mehr als fraglich, ob man Menschen in ein Kriegsland zurückschicken könne.

Es gibt keine sicheren Gebiete in der Ukraine.
Autor: Beat Jans Bundesrat

In Europa habe man sich deshalb auf den Schutzstatus S für die fünf Millionen ukrainischen Kriegsflüchtlinge geeinigt. Nun scheren Norwegen und die Schweiz aus. Die SVP hofft auf Abschreckung. Achermann vermutet, die Ukrainerinnen würden eher in andere EU-Staaten flüchten, als zu Hause zu bleiben. Das könnte als Erfolg angesehen werden. Zugleich stelle sich die Frage, wie das andere EU-Staaten auffassen, die wesentlich mehr Gesuche pro Kopf haben als die Schweiz.

Angesichts der neuen, massiven Angriffe auf die Ukraine ist die Umsetzung der Motion allenfalls doch nicht möglich. Sie könnte auch noch im Parlament abgeschrieben werden, falls man im laufenden Vernehmlassungsverfahren zu diesem Schluss kommt. Aber die nächsten politischen Vorstösse zum Schutzstatus S sind bereits geplant.

Korrektur

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In einer ersten Version des Artikels war davon die Rede, dass wenn Personen mit Schutzstatus in ein sicheres Gebiet zurückkehren könnten, sie ihren Schutzstatus S verlieren. Korrekt ist: Wer aus einem sicheren Gebiet stammt, soll künftig keinen Schutzstatus S mehr erhalten. Wir bitten um Entschuldigung.

10vor10, 16.07.2025, 21:50 Uhr ; 

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