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Paul Rechsteiner tritt zurück Ein Blick auf einen zähen Streiter

20 Jahre kämpfte er an der Spitze für faire Arbeitsbedingungen. Als Grosserfolg nennt er die flankierenden Massnahmen.

Rücktritt in Stärke: Zwei Jahrzehnte lang war Paul Rechsteiner das Gesicht der Arbeiterbewegung. Er war nicht der hemdsärmlige Strassenkämpfer, der die Massen elektrisiert, viel eher der brillante Denker und gewiefte Taktiker, der seine politische Erfahrung in Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite geschickt einzusetzen wusste. Jetzt aber sei die Zeit gekommen, zu gehen, sagt der 65-jährige St. Galler, der sich nun auf seine politische Arbeit als Ständerat konzentrieren will: «Man muss den richtigen Zeitpunkt erwischen.» Der Gewerkschaftsbund sei sehr gut aufgestellt, eine starke starke Referendumsmacht und initiativfähig. Die wichtigste Organisation der Gewerkschaften in der Schweiz könne auch grosse Demonstrationen organisieren.

Wir sind die wichtigste Organisation der Gewerkschaften in der Schweiz, die auch grosse Demonstrationen organisieren können.
Autor: Paul Rechsteiner

Lob aus eigenen Reihen: Wenn eine Weggefährtin und Vollblutgewerkschafterin auf die Ära Rechsteiner zurückschaut, dann findet sie nur lobende Worte: «Rechsteiner ist extrem gut vernetzt. Er hat für die Gewerkschaftsbewegung wesentliche Impulse gegeben und in wichtigen Verhandlungen die Interessen der Arbeitnehmenden bestens vertreten, auch im Parlament», sagt SP-Nationalrätin Barbara Gysi, Präsidentin des Gewerkschaftsbundes St. Gallen und des Personalverbandes des Bundes.

Respekt von Arbeitgeberseite: Eine überragende Figur als Gewerkschafter, aber auch als Politiker sei Rechsteiner, urteilt CVP-Nationalrat Fabio Regazzi, Mitglied des Vorstandsausschusses des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes. Er würdigt den abtretenden SGB-Chef als harten und kompetenten Ansprechpartner.

Flankierenden Massnahmen und Mindestlohn: Rechsteiner ist es gelungen, die 13 teilweise sehr unterschiedlichen Verbände im Schweizerischen Gewerkschaftsbund zusammenzuführen. Als wichtigsten Erfolg betrachtet er im Rückblick die Einführung der flankierenden Massnahmen zum Schutz der Löhne. «Es ist gelungen, das durchzusetzen. Dank einer verlässlichen Vertragspartnerschaft nach harten Auseinandersetzungen und durch unsere Bereitschaft, im Gegenzug die bilateralen Verträge mitzutragen», erklärt Rechsteiner.

Rechsteiner streicht in diesem Zusammenhang auch die damalige positive Rolle von Bundesrat Couchepin hervor. In diesem Bündnis sei der grosse Fortschritt für die Schweiz erzielt worden, der noch heute entscheidend für das ganze Verhältnis zu Europa sei und alle Stürme überstanden habe. Stolz ist er auch darauf, dass sich trotz Ablehnung der gewerkschaftlichen Mindestlohn-Initiative mittlerweile ein informeller Mindestlohn von 4000 Franken landesweit durchgesetzt habe.

Herbe Rückschläge bei Sozialversicherungen: Weniger erfolgreich fällt die Bilanz aus, was die Sozialversicherungen betrifft. Die «AHV plus»-Initiative scheiterte 2016 an der Urne, die grosse Rentenreform im letzten Herbst ebenso. Arbeitgebervertreter Regazzi erinnert sich: «Das war hart für Rechsteiner, der sich in dieser Abstimmung sehr stark – noch mehr als üblich – engagiert hatte.» In der Sozialpolitik sei das Wichtigste gewesen, Verschlechterungen zu verhindern, schaut Rechsteiner zurück.

Paul Rechsteiner.
Legende: Paul Rechsteiner kämpfte im letzten Sommer für die Retenreform 2020. Diese Schlacht ging verloren. Keystone/Archiv

Eine etwas bittere Bilanz nach 20 Jahren? Gewerkschaftskollegin Gysi findet das nicht. Es bestehe ein massiver Druck von bürgerlicher Seite und Arbeitgebern, die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Da sei es manchmal ein grosser Erfolg, etwas zu verhindern.

Die Zukunft: Rechsteiner ist überzeugt, dass der Gewerkschaftsbund auch in Zukunft Erfolge erzielen kann: «Es beruhigt mich, dass wir ein sehr gutes und sehr kompetent aufgestelltes Sekretariat haben.» Von einem solchen könnten die Wirtschaftsverbände nur träumen. Wer immer im November seine Nachfolge antrete, werde sich auf das starke Sekretariat unter der Leitung von Chefökonom Daniel Lampart voll verlassen können.

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