Werden reiche Ausländer gegenüber reichen Schweizerinnen und Schweizern mit tiefem Einkommen bevorzugt behandelt?
Das ist eine Frage des Standpunkts. Die Befürworter der Initiative sagen ganz klar, ja. Sie sehen die Steuergerechtigkeit in der Schweiz nicht konsequent umgesetzt.
Die Gegner der Initiative bestreiten, dass es sich um eine Bevorzugung handle. Pauschalbesteuerte würden nicht besser behandelt, sie würden lediglich nach einem andern System besteuert. Ihre steuerliche Gesamtbelastung sei vergleichbar mit der Steuerbelastung der Einheimischen. Denn neben der Steuer in der Schweiz würden sie im Ausland oft hohe Beträge auf ihr Einkommen bezahlen, schreiben die Gegner auf ihrer Homepage.
Wieso gibt es überhaupt ein spezielles Steuerregime für nicht-erwerbstätige Ausländer?
Dass nicht-erwerbstätige Ausländer in der Schweiz anders besteuert werden, hat eine relativ lange Tradition und geht auf die touristische Entwicklung des Landes zurück. Die Aufwandsteuer wurde ursprünglich nicht als Instrument der Standortpolitik eingeführt, sondern diente der Besteuerung von reichen Ausländern, deren Vermögensverhältnisse nur schwer ermittelbar waren. Als erster Kanton in der Schweiz führte der Kanton Waadt 1862 eine Regelung dieser Art ein, ihm folgte 1928 der Kanton Genf. Der eigentliche Beginn der Aufwandbesteuerung war jedoch das «interkantonalen Konkordat über den Ausschluss von Steuerabkommen», das 1948 von den Kantonen angenommen wurde und dem der Bund ein Jahr später folgte. Seit 1990 ist die Aufwandbesteurung im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer und im Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden verankert.
In den Kantonen Zürich, Schaffhausen, Appenzell Ausserrhoden, Basel-Land und Basel-Stadt wurde die Pauschalbesteuerung 2009 wieder abgeschafft.
Welchen Nutzen bringen Pauschalbesteuerte der Schweiz?
Laut einer Studie der Eidgenössischen Steuerverwaltung hängen 22‘500 Arbeitsplätze in der Schweiz von den Pauschalbesteuerten ab. Das System Pauschalbesteuerung wirft nach neusten Erhebungen der Finanzdirektorenkonferenz (FDK) 695 Millionen Franken Steuereinnahmen für Bund, Kantone und Gemeinden pro Jahr ab.
Die Pauschalbesteuerten bezahlen auch beispielsweise Liegenschaftssteuern, Erbschaftssteuern, Mehrwertsteuern und Sozialversicherungsbeiträge. Diese Steuereinnahmen seien besonders in Regionen des Berggebiets und in der lateinischen Schweiz von Bedeutung, schreibt die FDK. Auch die Konsumausgaben der Pauschalbesteuerten fallen für das lokale Gewerbe ins Gewicht.
Im Kanton Bern leben 90 Prozent der Pauschalbesteuerten in der Gemeinde Saanen, zu der der Nobeldestination Gstaad gehört. Dort bezahlen 180 Pauschalbesteuerte rund vier Millionen Franken Steuern. Im Kanton Graubünden leben die meisten Pauschalbesteuerten in Pontresina und St. Moritz. Im Wallis in Verbier, Crans-Montana und Zermatt, in der Waadt und im Kanton Genf an bevorzugten Wohnlagen am See. In St. Moritz bezahlen die Pauschalbesteuerten rund einen Drittel aller Steuereinnahmen.
Welche negativen Auswirkungen kann die Ansiedlung von Pauschalbesteuerten der Schweiz haben?
Ein Nebeneffekt einer Konzentration von Pauschalbesteuerten ist der, dass sich mittelständische Einheimische Bauland und Wohnungen an diesen Orten kaum mehr leisten können.
Ziehen die Pauschalbesteuerten weg, wenn diese Art der Besteuerung aufgehoben wird?
Dies muss offen bleiben. Das entscheidet jeder Pauschalbesteuerte selbst. Die Erfahrungen im Kanton Zürich haben gezeigt, dass rund die Hälfte der Pauschalbesteuerten abgewandert ist. Dort sind allerdings die Steuereinnahmen laut einer Mitteilung fast gleichgeblieben, da die Verbleibenden mehr Steuern bezahlten. Allerdings ist es schwierig abzuschätzen, wie Tourismusgemeinden die Abschaffung der Pauschalsteuer verkraften würden, da sie für Normalbesteuerte weit weniger attraktiv sind als ein urbanes Zentrum.
Gerät die Schweiz international unter Druck, wenn sie die Pauschalbesteuerung beibehält?
Die OECD hat die Schweiz schon vor zwei Jahren aufgefordert, die Pauschalbesteuerung abzuschaffen. Ob der internationale Druck auf die Schweiz jedoch grösser würde, muss offen bleiben. Auch andere Staaten in Europa kennen vergleichbare Arten der besonderen Besteuerung, etwa Grossbritannien, Österreich, Portugal, die Niederlanden, Luxemburg, Belgien, Irland. Ausserhalb Europas sind es beispielsweise Israel, China, Singapur oder Thailand.
Was bedeutet diese Abstimmung für die Schweiz?
Innenpolitisch stehen die Fragen nach der Steuergerechtigkeit und dem Föderalismus im Zentrum: Soll den Kantonen weiterhin zugestanden werden, selbst darüber entscheiden zu können, ob sie ausländische Nicht-Erwerbstätige besondere Möglichkeiten der Besteuerung zugestehen wollen? Oder soll der Bund diese Frage regeln?
Die Splitterpartei UP! (Unabhängige Partei Schweiz) fordert, die Möglichkeit der Pauschalbesteuerung auf Schweizerinnen und Schweizer auszudehnen. Nicht-erwerbstätigen Personen mit Schweizer Pass soll es ermöglicht werden, ihren Aufwand zu besteuern. Damit würde die Diskriminierung der Einheimischen aufgehoben, schreibt die UP.