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Pensionskasse vor Ruin Vorsorgedebakel auf Kosten der Versicherten

In den Skandal um die PK Phoenix ist nicht nur die Schwyzer Kantonalbank involviert. Auch die Aargauer Pensionskassen-Aufsicht hat sich mutmasslich verrannt.

Die Aargauer Pensionskasse Phoenix steht vor dem Ruin. Sie hat ein Loch von zwölf Millionen Franken – ein Desaster für die Versicherten. Auch der Eishockeyklub Rapperswil-Jona Lakers hat seine Vorsorgegelder bei der PK Phoenix parkiert: «Wir hoffen, dass die Verursacher dieses Debakels Verantwortung übernehmen», sagt Lakers-CEO Markus Bütler.

  Gemäss einem forensischen Untersuchungsbericht im Auftrag der PK Phoenix sind massive Buchungsfehler in den Jahren 2015 und 2016 dafür verantwortlich. Vom 1. Januar 2015 bis zum 31. November 2016 verwaltete die Nova-Vorsorge-Holding die ins Straucheln geratene PK Phoenix und als sogenannte PK-Verwaltungsstelle war die Nova-Vorsorge-Holding auch für die Phoenix-Buchhaltung verantwortlich. Die Schwyzer Kantonalbank (SZKB) war massgeblich an dieser Holding beteiligt und hatte gemäss SZKB-Geschäftsbericht 2019 gar eine «beherrschende Stellung» über die Nova-Vorsorge-Holding. Trotzdem gibt die Kantonalbank den Phoenix-Verantwortlichen die Schuld: Diese hätten schon 2013 mit krummen Immobiliengeschäften in Lütisburg SG das Millionenloch verursacht.

Aufsicht hat sich mutmasslich verrannt

Auf diese Version der Geschichte legte sich auch die BVG- und Stiftungsaufsicht Aargau BVSA fest – und hat sich dabei mutmasslich verrannt. Das zeigen Recherchen von «Sonntagsblick» und SRF. 2016 bemerken die Phoenix-Verantwortlichen massive Unstimmigkeiten in der Buchhaltung und wollen deshalb der von der SZKB kontrollierten Nova-Vorsorge-Holding kündigen. Diese reagieren mit der Brechstange: Sie machen eine Anzeige bei der Aargauer Aufsicht BVSA – gegen die PK Phoenix, die Sammelstiftung, die sie selbst verwalten und eine ihrer besten Kundinnen ist. Der Vorwurf an die Phoenix-Verantwortlichen: mutmassliche Verstösse und Straftaten im Zusammenhang mit dem Bauprojekt in Lütisburg von 2013.

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Legende: Auch der Eishockeyklub Rapperswil-Jona Lakers hat seine Vorsorgegelder bei der Pensionskasse Phoenix parkiert, die vor dem Ruin steht Keystone

Die Aufsicht reagiert prompt. Sie setzt den gesamten Phoenix-Stiftungsrat ab – ohne ihm das rechtliche Gehör zu gewähren. An seiner Stelle übernimmt ein von der Aaraguer Aufsicht bestellter Sachwalter die Leitung. Doch das Bundesverwaltungsgericht pfeift die Aufsicht umgehend zurück. «Die vorliegende Gehörsverletzung wiegt schwer», rügt das Gericht und setzt den Stiftungsrat wieder ein. 

Fragwürdige Rechnung von Zürcher Anwaltskanzlei

Ein halbes Jahr später schickt die Nova-Vorsorge-Holding eine Rechnung an die Aargauer Aufsicht. Die Rechnung stammt von einer Zürcher Anwaltskanzlei, die im Auftrag der Schwyzer Kantonalbank arbeitet. Es handle sich um Aufwände im Zusammenhang mit dem Aufsichtsverfahren gegen die PK Phoenix, schreibt die Holding dem Geschäftsführer der Aargauer Aufsicht: «Wir erlauben uns, Ihnen beiliegend die Rechnung in der Höhe von CHF 37'818.85 zu unserer Entlastung zuzustellen.» 

Phoenix – die Chronologie

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Ende 2015 nimmt ein Verwaltungsrat der Nova-Vorsorge-Holding ohne Rücksprache mit der Phoenix deren Unterlagen zu Lütisburg aus dem Jahr 2013 an sich. Dafür entschuldigt er sich Tage später.

Im Frühling 2016 reicht derselbe Nova-Verwaltungsrat mit Vorwürfen, die aus den behändigten Unterlagen konstruiert sind, bei der Aargauer Aufsicht ein Gesuch um aufsichtsrechtliche Massnahmen gegen die Phoenix ein.

Im Frühling 2017 bearbeitet dieser Nova-Verwaltungsrat gemäss den Metadaten ein anonym erstelltes Word-Dokument, in welchem die Vorwürfe gegen die Phoenix zu Lütisburg noch einmal detaillierter formuliert sind.

Im Herbst 2017 lässt die Aargauer Aufsicht basierend auf dem anonymen Word-Dokument einen 100-seitigen Bericht erstellen, der sämtliche Vorwürfe zu Lütisburg minutiös auflistet.

Ende 2017 setzt die Aufsicht aufgrund des 100-seitigen Berichtes den Phoenix Stiftungsrat ab.Im Sommer 2018 verliert die Aargauer Aufsicht vor Bundesverwaltungsgericht mit dem 100-seitigen Bericht zu Lütisburg als Kronbeweis.

Im Winter 2018 zieht die Oberaufsichtskommission OAK BV mit dem gleichen Kronbeweis vor Bundesgericht.

Im März 2019 lehnt das Bundesgericht das Ansinnen ab und setzt den Phoenix-Stiftungsrat wieder ein.

Im April 2019 gelangt der 100-seitige Bericht an die Medien, etliche Artikel zu Lütisburg und der mutmasslichen Schuld der Phoenix am Millionen-Debakel erscheinen.

Anfang 2021 bestätigt der betreffende Nova-Verwaltungsrat in einem Interview mit Inside Paradeplatz, dass er 2017 das Word-Dokument mit den entsprechenden Vorwürfen gegen die PK Phoenix zu Immobiliengeschäft 2013 in Lütisburg anonym ergänzt und fertiggestellt habe.

Hat die Aargauer Aufsicht diese Rechnung übernommen? Haben die Zürcher Anwälte, die von der Schwyzer Kantonalbank mandatiert waren, Arbeiten für die Aargauer Aufsicht ausgeführt? Die BVSA beantwortet diese Fragen des Recherchekollektivs von SRF und «Sonntagsblick» nicht, der Geschäftsführer der Aargauer Aufsicht verweist auf das Amtsgeheimnis.

2017 wird die Aargauer Aufsicht erneut aktiv: Ein Verwaltungsratsmitglied der Nova-Vorsorge-Holding stellt ein Word-Dokument fertig, das eine Liste von Vorwürfen gegen die Phoenix-Verantwortlichen rund um das Bauprojekt in Lütisburg 2013 aufführt. Genau die gleichen Vorwürfe tauchen anschliessend in einem über 100-seitigen Bericht des von der Aufsicht eingesetzten Sachwalters wieder auf. Nur: Diese Vorwürfe wurden nie untersucht – bis zum heutigen Tag nicht.

Bericht der Aufsicht listet ungeprüfte Vorwürfe auf  

Nichtsdestotrotz setzt die Aargauer Aufsicht den Stiftungsrat der PK Phoenix mit Verweis auf diesen über 100-seitigen Bericht zum zweiten Mal ab. Warum hat sie die Vorwürfe ungeprüft übernommen? Auch dazu schweigt die Behörde. 

Der Phoenix-Stiftungsrat wehrt sich erneut vor dem Bundesverwaltungsgericht – und kriegt wieder recht. Die Vorwürfe der Aargauer Aufsicht seien ungenügend abgeklärt worden, hält das Gericht im Urteil fest. Der Fall landet schliesslich vor dem Bundesgericht. In Erwartung des Urteils schreibt der Chef der BVG- und Stiftungsaufsicht Aargau BVSA in einer E-Mail: «Sollte nichts zu unseren Gunsten eintreffen, wird die BVSA im Sinne eines «Plans B» eine neue Verfügung erlassen. Gründe dazu gibt es ja viele…»

Tatsächlich schmettert das Bundesgericht Anfang 2019 das Begehren der Aufsichtsbehörden ab und setzt den Phoenix-Stiftungsrat wieder ein. Und wie angekündigt lässt sich der Chef der Aargauer Aufsicht vom höchstrichterlichen Urteil nicht beirren: Im Sommer 2019 schreibt er den Phoenix-Verantwortlichen, es sei nun an der Zeit für einen neuen Sachwalter – und fügt hinzu: «Im Unterlassungsfalle respektive obstruktivem Verhalten ist wohl klar, wer für das Chaos verantwortlich sein wird.» In einem zweiten Schreiben legt der Chef der Aargauer Aufsicht nach und fordert die Phoenix-Verantwortlichen zum freiwilligen Rücktritt auf.

Aargauer Regierung lehnt Ausstandsbegehren ab  

In den Augen der PK-Verantwortlichen hat der Aufsichtschef die Rolle des unparteiischen Schiedsrichters damit endgültig abgelegt. Sie fordern vom Aargauer Regierungsrat, den BVSA-Chef wegen Befangenheit in den Ausstand zu beordern. Die Regierung lehnt ab. Doch das kantonale Verwaltungsgericht korrigiert schliesslich den Entscheid und schickt den Chef der Aufsicht im Frühling 2020 in den Ausstand.

Wie oft kommt so etwas vor? Manfred Hüsler ist Direktor der Pensionskassen-Oberaufsicht des Bundes OAK BV. Er sagt: «Ein solcher Fall ist uns seit der Gründung der Oberaufsicht nicht bekannt.» Warum hat Hüslers Behörde im Fall Phoenix nie eingegriffen? «Wir setzen generelle Standards für den Vollzug», sagt Hüsler. «Aber wir dürfen nicht in Einzelfällen intervenieren. Unsere Kompetenzen gegenüber den kantonalen Stellen sind begrenzt.» 

Das bestätigt Sozialversicherungsexperte Michael Meier, Rechtsanwalt und Oberassistent am Rechtswissenschaftlichen Institut der Universität Zürich: «Die OAK BV kann kantonale Aufsichten nicht sanktionieren. Das entspricht exakt dem vom Bundesgesetzgeber mit der Strukturreform bewusst gewählten System.»

Oberaufsicht hat begrenzte Kompetenzen

Intervenieren könnte hingegen der Regierungsrat. Er wählt auch den Verwaltungsrat der kantonalen Aufsichtsbehörde. Der wiederum kann fehlbares Verhalten der Mitarbeitenden sanktionieren. Doch weder die Aargauer Regierung noch der BVSA-Verwaltungsrat sahen im vorliegenden Fall je Handlungsbedarf. Der Verwaltungsrat will sich dazu nicht äussern. Die Regierung sagt, sie habe nicht genügend Gründe für einen Ausstand des Aufsichtschefs gesehen – und anschliessend sei keine Intervention mehr angezeigt gewesen.

Mit anderen Worten: Im PK-Markt haben die kantonalen Aufsichten das Sagen – und niemand will oder kann eingreifen, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen. Ein PK-Insider formuliert es so: «Wer die Aufsicht einmal im Haus hat, wird sie nicht mehr los.» Das sei ein fast unlösbares Problem für die Versicherten: «Aufsichtsverfahren dauern sehr lange und sind ausserordentlich mühsam», sagt Urs Eicher, Präsident vom PK-Netz, dem Sozialpartner für die Interessen der Arbeitnehmenden im PK-Markt. «Bezahlen müssen die Versicherten.» Können sie sich gegen die Aufsicht wehren? «Sie können fast nichts tun», sagt Eicher. «Es gibt zwar den zivilrechtlichen Weg. Aber solche Prozesse können enorm aufwendig und damit teuer werden. Und der Ausgang ist jeweils offen.»

Recherchekollektiv Phoenix

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Das Recherchekollektiv «Phoenix» von SRF und SonntagsBlick untersucht den Fall der PK Phoenix, die vor dem Ruin steht. Dazu hat das Recherchekollektiv über 1000 Dokumente inventarisiert, digitalisiert und analysiert. Am vergangenen Wochenende erschienen die ersten Beiträge auf SRF und im «Sonntagsblick». Weitere Recherche-Ergebnisse folgen: Zum Fall Phoenix im Speziellen und zum Schweizer Pensionskassenwesen im Allgemeinen. Dieser Artikel erscheint am Sonntag, 23. Januar 2022 auch in der Printausgabe des «Sonntagsblick».

Tagesschau, 16.01.2022, 19:30 Uhr

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