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Phase Orange Brienz GR: Umsiedlung wahrscheinlicher – Besuchszeiten verlängert

  • Ab kommenden Montag gilt in der Bündner Gemeinde Brienz/Brinzauls GR die Phase Orange.
  • Der Gemeindeführungsstab dehnt die Besuchsmöglichkeiten aus: Neu dürfen die Bewohner des Dorfes täglich zwischen 9 und 19 Uhr zurückkehren.
  • Gleichzeitig ergab eine Analyse von Geologen, dass die Gefahr durch die Schutthalde oberhalb des Dorfs auch künftig bestehen bleibt.
  • Erstmals spricht die Gemeinde davon, nicht um jeden Preis an der Siedlung festhalten zu wollen.

Das Betretungsverbot für die gefährliche Zone gilt aus Sicherheitsgründen weiterhin, wie der Gemeindeführungsstab mitteilt. Gemäss der Mitteilung müssen sich die Besucher weiterhin vorgängig mit ihren Handynummern registrieren, damit sie im Notfall gewarnt werden können. Wenn sie am Abend abreisen, müssen sie sich wieder austragen. Übernachten im Dorf ist aus Sicherheitsgründen immer noch nicht erlaubt.

Es wäre verfrüht zu sagen, dass man Brienz ganz aufgeben würde, aber man sollte sich Gedanken machen.
Autor: Daniel Albertin Gemeindepräsident Albula/Alvra

«Die Kameras, die den Berg überwachen, sehen in der Nacht nichts. Trotz KI und allen technischen Möglichkeiten braucht es auch Handarbeit – und die ist in der Nacht nicht möglich», warnt Geologe Stefan Schneider. «Wenn es dann plötzlich schnell geht, wäre es schwierig, alle rechtzeitig zu evakuieren.»

Luftaufnahme eines Bergabhangs mit Rutschung neben einem Dorf.
Legende: Von der Schutthalde, die wie ein riesiges Loch im Berg über Brienz klafft, droht noch immer Gefahr. Keystone/TIL BUERGY

Seit vergangenem Herbst ist das Bündner Dorf Brienz/Brinzauls wegen eines drohenden Felssturzes evakuiert. Nun zeigen Untersuchungen von Geologen und Naturgefahrenexperten: Brienz wird auch in Zukunft nicht zur Ruhe kommen. «Die Bevölkerung von Brienz/Brinzauls muss sich darauf einstellen, auch in den kommenden Jahren wiederholt aus dem Dorf evakuiert zu werden», schreibt der Gemeindeführungsstab weiter.

Pläne für Umsiedlung bestehen

Eine Umsiedlung dürfte damit wahrscheinlicher werden. Für die Bewohner und die Gemeinde stelle sich damit die Frage der Zumutbarkeit, sagt Gemeindepräsident Daniel Albertin. «Man muss sich wirklich mit dem Gedanken befassen: Will man sich dieser Belastung immer wieder aussetzen?»

Bild von Gemeindepräsident Daniel Albertin
Legende: Daniel Albertin, Gemeindepräsident Albula/Alvra: «Es wäre verfrüht zu sagen, dass man Brienz ganz aufgeben würde, aber man sollte sich Gedanken machen.» SRF

Bereits in den vergangenen Monaten wurden erste Pläne für eine Umsiedlung präsentiert. Allerdings hiess es immer, dass ein Wegzug freiwillig sei und die Gemeinde die Infrastruktur in Brienz aufrechterhalten wolle. Jetzt klingt es erstmals anders. «Die Hoffnung, dass es sich wieder beruhigt, ist gering», so Albertin. «In der Zwischenzeit muss man immer wieder evakuieren, Wohnungen suchen – und weiss oft nicht, wie man das finanziell stemmen soll.» Bei weitem nicht alle Kosten der Evakuierung seien durch Versicherungen gedeckt.

Entwässerungsstollen hilft nur wenig

Bei starken Niederschlägen oder nach kleineren Felsstürzen könne sich immer wieder Gestein lockern, heisst es in der Analyse. Daran werde auch der Stollen nichts ändern, der im Moment tief unter Brienz gebaut wird und den Hang entwässern soll. «Wir sehen gute erste Effekte vom Entwässerungsstollen», sagt Geologe Schneider. «Aber gewisse Bereiche beschleunigen sich trotz der Trockenheit. Das macht Prognosen extrem schwierig.»

Bild der Bevölkerungsinformation in Brienz
Legende: Gestern Abend informierten die Verantwortlichen von Gemeinde und Kanton über die neue Situation in Brienz. SRF/Valentina De Vos

Auch das Plateau oberhalb der Felswand bewege sich noch immer mit zunehmender Geschwindigkeit. Zwar sei ein beruhigender Einfluss des Entwässerungsstollens auf das Plateau möglich bis wahrscheinlich, eine weitere Beschleunigung könne aber ebenfalls die erneute Evakuierung des Dorfes nötig machen.

Insgesamt, so Geologe Stefan Schneider, sei es leider wahrscheinlich, dass Brienz/Brinzauls noch über Jahre hinweg immer wieder evakuiert werden müsse. Auch wenn sich die Lage derzeit beruhigt habe, bleibe die Situation fragil: «Die Gefährdungslage kann sich jederzeit rasch wieder ändern.»

Tagesschau, 1.5.2025, 19:30 Uhr ; 

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