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Der Bau der Autobahn N1 inklusiv neuem Bareggtunnel veränderte den Aargau grundlegend.
Aus Echo der Zeit vom 29.12.2021. Bild: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv
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Pionierkanton Aargau AKW bis DJ Bobo: Aargau geht seiner neueren Geschichte nach

Antike und Mittelalter sind gut erforscht. Die neuste Geschichte dagegen kaum. Im Aargau ändert sich dies nun.

Es ist der typische Geschichtsstoff in der Schule: Die alten Ägypter, Griechen und Römer werden ausführlich behandelt. Weiter Ritter, Christoph Kolumbus, Napoleon und Adolf Hitler. Was oft zu kurz kommt, ist dagegen die Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Kanton Aargau versucht das Projekt «Zeitgeschichte Aargau» diese Lücke nun zu schliessen.

Acht Historikerinnen und Historiker haben sich mit der Geschichte von 1950 bis 2000 beschäftigt. Sie zeichnen das Bild eines progressiven Kantons, der gleich auf mehreren Ebenen zu den Pionierkantonen und Wegbereitern der modernen Schweiz gehörte. Und das nicht nur bei altbekannten Aargauer Klischees wie den Autobahnen.

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Bau der Autobahn N1 zwischen Lenzburg und Spreitenbach
Aus Antenne vom 07.10.1970.
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Oft vergessen geht zum Beispiel, dass der Kanton Aargau zwar mit seinen drei Atomreaktoren und dem Zwischenlager für radioaktive Abfälle in Würenlingen ein Atomkanton ist. Im Aargau wurde aber auch das Ende des Atomzeitalters in der Schweiz eingeläutet.

1975 besetzten Demonstrierende wochenlang das Gelände, auf dem in Kaiseraugst ein Atomkraftwerk gebaut werden sollte. Jahrelang kam es immer wieder zu grossen Demonstrationen. Am Ende wurde der Bau eines weiteren AKW im Aargau verhindert, obwohl es für das Projekt bereits eine Baubewilligung gab. Ein Wendepunkt in der Aargauer, aber auch der Schweizer Energiepolitik.

Der Kanton Aargau sei aber auch gesellschaftlich fortschrittlich gewesen, so die Historikerinnen und Historiker des Projekts Zeitgeschichte Aargau. Während viele Kantone noch das Konkubinatsverbot kannten, durften im Aargau auch unverheiratete Paare zusammenziehen. Viele zogen deshalb von Zürich über die Kantonsgrenze nach Spreitenbach, wo ein regelrechter Bauboom ausbrach.

Für die Autorinnen und Autoren ist es auch kein Zufall, dass mit René Baumann ein Aargauer als DJ Bobo jugendkulturelle Elemente aus den USA in die Schweiz holt. «Er bringt ein Stück Welt in seine Heimat, in die Provinz. Da hat er grosse Verdienste, die man heute gerne vergisst», so Historiker Fabian Furter. Betrachte man die jüngste Aargauer Geschichte, gehöre DJ Bobo sicherlich dazu.

Auch bei anderen Entwicklungen war der Aargau der restlichen Schweiz voraus. Eng verknüpft ist die Geschichte des Aargaus mit dem Industrieriesen Brown Boveri BBC, der heutigen ABB. So war es die BBC, welche die ersten Gastarbeiter in den Aargau holte. Politisch stellten sich damit plötzlich viele Fragen, etwa zur Integration.

In den 60er Jahren beschäftigte der Industriekonzern rund 20'000 Menschen im Aargau. Dies stellte den Kanton auch vor gesellschaftliche Herausforderungen, etwa weil diese Menschen Wohnungen brauchen. Eine übergeordnete Raumplanung wurde nötig. BBC baute für die Angestellten auch selber Wohnungen. Sogar eine Modellstadt auf freiem Feld wurde entworfen, allerdings nie realisiert. Andere BBC-Wohnprojekte stehen dagegen heute noch.

Die Historikerinnen und Historiker des Projekts Zeitgeschichte Aargau zeigen den Kanton in den Jahren von 1950 bis 2000 also als modernen Pionierkanton. Diesen Ruf hat der Kanton mittlerweile nicht mehr, ist er doch eine Hochburg der konservativen SVP. «In den 90er Jahren gab es eine grosse politische Wende. Der Aargau hat sich – wie der Rest der Schweiz auch – seit dann konservativer entwickelt», so Historiker Patrick Zehnder.

Zeitgeschichte kennt Hindernisse

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Dass die Zeit seit 1945 vielerorts noch nicht ausführlich erforscht ist, hänge damit zusammen, dass Zeitgeschichte dynamisch und nicht abgeschlossen sei. «Die Zeitgeschichte ist die Geschichte, die immer auch Rekurs nimmt auf lebende Menschen», sagt Patrick Kury, Historiker und Professor an der Universität Luzern.

Daneben sei die Erforschung der neusten Geschichte teilweise gar nicht oder nur mit grossem Aufwand möglich. «Wenn es zum Beispiel um medizinische Fragen geht, die beispielsweise bei den administrativ Versorgten eine grosse Rolle spielen, dann gibt es da teilweise Sperrfristen von 100 Jahren», gibt Kury zu bedenken. Ein abschliessendes Bild sei so kaum zu bekommen.

Bei der Geschichtsschreibung möchte der Aargau aber weiter Pionierkanton sein, denn die Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg ist vielerorts noch nicht so gut erforscht wie nun im Aargau.

Echo der Zeit, 05.02.2021;

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