Das Hauptgericht steht fest: Jacqueline Badrans «weltbeste Bolognese». Nationalratskollege Andri Silberschmidt erklärt: «Heute werde ich für einmal nur auf Jacky hören.» Sie entgegnet: «Das hast du schon mal! Als ich dich davon abgehalten habe, Fotos von langweiligen Tapas auf Instagram zu posten.» Der Hilfskoch ist ausser sich: «Das habe ich nie! Sie hat mich einmal erwischt, als ich Essen fotografieren wollte.» «Willst du ernst genommen werden, lass das sein!», sagt sie.
Gekocht wird, weil Essen auch immer mit Sozialpolitik zu tun hat. Ist der Kuchen in der Schweiz gerecht verteilt? Über das wird diskutiert, während die Bolognese auf dem Herd köchelt und Nationalrat Silberschmidt Rübeli raffelt. Passend zum Thema «Reichtum und Armut» gibt es heute ein Budget-Menü.
«Hungrig ist der Mensch kein Mensch»
Am Tisch der Club-Sommerserie «Politik auf dem Teller» sitzen der Soziologe Ueli Mäder und Amine Diare Conde, Gründer der Organisation «Essen für alle», die jeden Samstag Nahrung an ca. 1400 Familien in Zürich verteilt.
Über 740'000 Menschen leben hierzulande in Armut. Was tun? «Die Menschen in den Arbeitsmarkt integrieren», sagt Silberschmidt. «Lohnerhöhungen» und «Kaufkraft steigern», findet Jaqueline Badran. «Nicht mit der Giesskanne», sagt Mettler, und fügt an: «Man muss zusehen, dass den Richtigen geholfen wird, hierzulande haben die meisten glücklicherweise genug, um Teuerungen zu bewältigen.»
Teuer wurden im letzten Jahr auch die Lebensmittel. Was also hat das Menü der Politiker gekostet? 61 Franken – oder 8.70 pro Person.
Für diejenigen, die mit knappen Ressourcen auskommen müssen, ist das nicht sonderlich günstig. Diare lebte während vier Jahren, als abgewiesener Asylsuchender, von täglich 8.50 Franken Nothilfe. Auf seiner Flucht aus Guinea hat er auch schon mit weniger überlebt, in einem marokkanischen Wald sogar ohne Essen. «Ein Mensch kann nur dann Mensch sein, wenn er genug Essen hat», sagt Diare, und fügt an: «Manchmal habe ich Steine mit Essen verwechselt. Ich konnte nicht mehr laufen vor Hunger.» Auch wegen dieser Erfahrung gründete er «Essen für alle».
Welche globale Verantwortung trägt die Schweiz?
Dass Essen den sozialen Status zeigt, weiss auch Ueli Mäder aus Erfahrung. «Wir waren immer mindestens zu acht am Tisch, da hat man zwei Bratwürste geteilt.» Mäder, der sich seit jeher mit sozialer Gerechtigkeit beschäftigt, isst regelmässig mit Bankdirektoren sowie Randständigen.
Als er ein Weihnachtsessen für Professoren organisierte und den Veranstaltungsort bekannt gab, kam die Frage auf, ob das Restaurant auch gut genug sei. «Daraufhin habe ich umgeplant und wählte eine Art Gassenküche. An diesem Abend gab es viele schöne Begegnungen.»
Bei aller Uneinigkeit bezüglich Armutsbekämpfung in der Schweiz gibt es auch unverhoffte Einigkeit, als es um die globale Verantwortung geht. «Wir müssen schauen, dass die Menschen nicht zu den Maschinen gehen müssen, sondern dass die Maschinen zu den Menschen kommen», so Silberschmidt. Badran reisst die Augen auf, dreht sich zu ihm, und streckt die Hand zum High-Five aus. «Du bist einverstanden?», fragt er. Badran: «Ja! Welch Wunder!»