Sie haben verschiedene Namen: Conseil général, Consiglio comunale oder Grosser Stadtrat. Verbreitet sind sie in der Schweiz regional äusserst unterschiedlich stark: In Genf und Neuenburg verfügen sämtliche Gemeinden über ein Parlament. Auch im Tessin und der Waadt sind sie weit verbreitet. In Ob- und Nidwalden, Uri, Schwyz, Glarus und Appenzell-Innerrhoden indes existieren überhaupt keine Gemeindeparlamente. Dort gibt es ausschliesslich Gemeindeversammlungen.
Baar und Rapperswil-Jona wollen nicht
Laut dem Schweizerischen Parlamentslexikon von Michael Strebel hat sich der Parlamentarismus ganz unterschiedlich entwickelt. Während in der französischsprachigen Schweiz bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts Parlamente gegründet wurden, gilt in weiten Teilen der Deutschschweiz die Gemeindeversammlung bis heute als das Mass der direkten Demokratie.
Wächst eine Gemeinde, hat dies meist zur Folge, dass ein Parlament eingeführt wird. In der Deutschschweiz liegt die kritische Grösse bei etwa 15'000 Einwohnenden.
Die grossen Ausnahmen: Rapperswil-Jona, mit über 28'000 Personen die grösste Schweizer Gemeinde ohne Parlament, und Baar mit 25'000 Personen. 14'000 von ihnen sind stimmberechtigt und können über die politischen Geschicke der zweitgrössten Zuger Gemeinde mitentscheiden.
An die letzte Budgetgemeindeversammlung von Baar kamen 269 Stimmberechtigte. Damit waren weniger als zwei Prozent der Stimmbevölkerung anwesend.
«Solche Entscheide sind nicht repräsentativ», finden die Baarer Grünliberalen. Sie wollen darum ein Parlament. Die GLP argumentiert, dass an Gemeindeversammlungen wenige Leute über politische Geschäfte entscheiden.
Oft braucht es nur eine gute Rednerin, einen guten Redner.
«Oft braucht es nur eine einzige rhetorisch gute Rednerin oder einen guten Redner, um mit dem entsprechenden Votum ein Geschäft oder ein Projekt zu bodigen oder ihm den Weg zu ebnen», sagt Daniel Rotzetter, Präsident der GLP Baar.
Bereits vor 13 Jahren unternahmen die Baarer Grünliberalen einen Anlauf, um die Gemeindeversammlung durch ein Parlament zu ersetzen. An der entsprechenden Gemeindeversammlung hatte der Vorschlag keine Chance. Jetzt wählen sie einen anderen Weg: Es soll an der Urne entschieden werden. «Ein solcher Entscheid ist viel breiter abgestützt», sagt Daniel Rotzetter.
Das heutige System ist gut.
Der Gemeinderat von Baar – also die Exekutive – spricht sich klar gegen einen Systemwechsel aus. Er hat in den Unterlagen für die Juni-Gemeindeversammlung die Pro- und Kontra-Argumente aufgelistet und kommt zum Schluss, dass das «Baarer System» beibehalten werden soll.
Fachkommissionen beraten den Gemeinderat
Nebst den Gemeindeversammlungen hat Baar rund 20 Fachkommissionen, welche den Gemeinderat beraten. So gibt es Fachgremien etwa für Altersfragen, aber auch politische Kommissionen wie die Bau- oder Finanzkommission. Diese sind nach der Stärke der politischen Parteien zusammengesetzt. «Das heutige System ist gut», kommt Walter Lipp, der Baarer Gemeindepräsident, zum Schluss.
Nur beraten, aber nicht mitentscheiden zu können, führt zu Unmut.
Anders sieht es Daniel Rotzetter: «Ein Manko dieses Systems ist, dass die Kommissionen zwar beraten können, am Ende aber nicht mitentscheiden. Das führt bei Kommissionsmitgliedern auch zu Unmut.»
In Baar wollen SVP, FDP und die Mitte die Gemeindeversammlungen beibehalten. GLP, SP und Alternative – Die Grünen machen sich für ein Parlament stark. Am Schluss entscheidet die Stimmbevölkerung.