- Der ehemalige Waadtländer CVP-Nationalrat Jacques Neirynck ist laut dem Westschweizer Radio und Fernsehen RTS am Donnerstag verstorben.
- Neirynck wurde 93 Jahre alt.
- Der national bekannte Politiker machte auch in der Wissenschaft und in der Literatur Karriere.
«Wir verlieren eine grosse Persönlichkeit unserer Partei, sowohl auf nationaler als auch auf kantonaler Ebene», so Mario-Charles Pertusio, Präsident der Mitte Kanton Waadt. Neirynck habe eine Form von Weisheit verkörpert, die heute in Debatten manchmal fehle.
Von Belgien nach Kongo und in die Schweiz
Neirynck wurde 1931 in Uccle im Grossraum Brüssel geboren und studierte an der Universität Löwen, wo er einen Abschluss als Elektroingenieur und anschliessend einen Doktortitel in angewandten Wissenschaften erwarb. Danach lehrte er eine Zeit lang an der Universität Kinshasa im Kongo, bevor er als Forscher für den Elektronikkonzern Philips nach Brüssel zurückkehrte.
Seine Karriere in der Schweiz begann 1972, als er an die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne (EPFL) kam, um dort den Lehrstuhl für «Schaltungen und Systeme» zu übernehmen. Dort blieb er fast 25 Jahre lang. 1996 wurde Neirynck zum Honorarprofessor der EPFL ernannt und schlug anschliessend eine politische Laufbahn ein.
Als Mitglied der CVP (heutige Mitte-Partei) sass er von 1999 bis 2003 und von 2007 bis 2015 zwölf Jahre lang im Nationalrat. Bei seiner ersten Wahl war Neirynck bereits 68 Jahre alt.
Als ältester Parlamentarier war der Christdemokrat 2014 mit 84 Jahren bereit, sich in Bern erneut zur Wahl zu stellen, verlor jedoch sein Mandat an seinen Parteikollegen Claude Béglé. Der Rivale versuchte mit Mitstreitern der CVP Waadt, Neirynck aus dem Amt zu drängen.
Neirynck war auch Mitglied des Grossen Rates des Kantons Waadt. Nach einer kurzen Unterbrechung im Jahr 2007 kehrte er nach den Wahlen 2012 zurück, bevor er 2015 zurücktrat. Mit 86 Jahren versuchte er bei den Kantonswahlen 2017 ein Comeback, blieb jedoch erfolglos.
Schlammschlacht in eigener Partei
Nach diesem Misserfolg an den Urnen wurde Neirynck 2021 vor dem Hintergrund interner Rivalitäten mit Béglé auch aus seiner eigenen Partei gedrängt. Es war die Präsidentin der Mitte Waadt und künftige Staatsrätin Valérie Dittli, die verlangt hatte, dass sich die beiden ehemaligen Spitzenpolitiker nun zurückziehen sollten.
Im Gegensatz zu Béglé trat Neirynck nicht aus der Mitte aus, sondern forderte eine Entschuldigung, da er sich beleidigt fühlte. Schliesslich wurde eine Einigung mit seiner Partei erzielt. In seinen letzten Jahren stand Neirynck der Mitte Waadt wieder nahe.
Umtriebiger Schriftsteller
Parallel zu seiner wissenschaftlichen und politischen Laufbahn war Neirynck ein produktiver Schriftsteller. Neben zahlreichen Fachbüchern verfasste er mehrere Essays unter anderem zu Themen wie Wissenschaft und Konsumismus.
Seine Bibliografie umfasst auch mehrere Romane, hauptsächlich historische Krimis und religiöse Thriller.