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Postauto-Affäre «Alle Kontrollen haben jahrelang versagt»

VR-Präsident Schwaller spricht von einem inakzeptablen Vertrauensbruch und wechselt grosse Teile des Managements aus.

Nach Abschluss der Untersuchung über die unrechtmässige Buchungspraxis bei der Postauto AG und dem sofortigen Rücktritt von Post-Chefin Susanne Ruoff hat der Post-Verwaltungsratspräsident umfangreiche personelle und operationelle Massnahmen angekündigt. Die Konzernleitung übernimmt ab sofort Ulrich Hurni, bisher Stellvertreter der Konzernleiterin.

Vernichtende Kritik

An der Medienkonferenz in Bern zeichnete Schwaller ein katastrophales Bild über das Verhalten von Verantwortlichen in den vergangenen Jahren. «Ich bin erschüttert, mit welcher Energie die Buchhaltung manipuliert, verschleiert, erhöhte Subventionen kassiert und die Steuerzahler hinters Licht geführt wurden.»

Ich bin erschüttert, mit welcher Energie manipuliert, verschleiert und kassiert wurde.
Autor: Urs Schwaller Verwaltungsratspräsident der Post

Laut Schwaller haben dabei «sämtliche Kontrollmechanismen über Jahre hinweg versagt». Dies hätten die umfangreichen externen Untersuchungen sowie ein Gutachten von drei Experten ergeben, welche die Vorgänge in den Jahren 2007 bis 2015 minutiös untersucht hätten. Angesichts von rund drei Millionen sichergestellten Dokumenten sei dies eine Herkulesaufgabe und auch eine Sisyphusarbeit gewesen.

«Die Ergebnisse zeigen ein deutliches Bild zum Sachverhalt und auch darüber, wer die Verantwortung trägt», stellte Schwaller fest. «Für all das, was geschehen ist, gibt es keine Rechtfertigung.»

Die Postauto-Affäre kurz erklärt

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Im Februar 2018 geriet Postauto Schweiz in die Schlagzeilen, weil das Unternehmen durch gesetzeswidrige Umbuchungen im Laufe mehrerer Jahre 78,3 Millionen Franken Abgeltungen von Bund und Kantonen erschlichen hatte. Postauto Schweiz muss die missbräuchlich bezogenen Subventionen dem Bund und den Kantonen zurückerstatten. Leiter Daniel Landolf sowie der Finanzchef wurden umgehend von ihren operativen Aufgaben entbunden. In Folge des Skandals ist die Post-Chefin Susanne Ruoff am 8. Juni 2018 zurückgetreten.

Holding-Struktur wird wieder umgekrempelt

«Es ist ein inakzeptabler Vertrauensbruch in einem Unternehmen, das zu 100 Prozent in Bundeshand ist», sagte Schwaller.

Als Konsequenz wird unter anderem die 2014 beschlossene und 2016 eingeführte Holdingsstruktur Impresa mit dem Transferpreiskonzept rückgängig gemacht und durch eine einfache Organisation ohne Gewinntransfers ersetzt. Die Post werde jeden geschuldeten Franken – gemäss Revisionsbericht 78,5 Millionen Franken – bis im Herbst an die geschädigten Kantone zurückzahlen, so Schwaller.

Was die personellen Verantwortlichkeiten betrifft, von welchen laut Schwaller auch verschiedene Mitglieder der Konzernleitung betroffen sind, so sei ein «differenziertes Vorgehen» geplant. Hierbei sollt abgeklärt werden, wie weit die personellen Massnahmen reichen sollen.

Geschäftsleitung Postauto AG wird ausgewechselt

«Beendet wird die Zusammenarbeit mit Personen mit besonderer Verantwortung, die direkt an den Umbuchungen beteiligt waren und aufgrund ihrer besonderen Verantwortung trotz zahlreicher Hinweise über Jahre hinweg nicht eingeschritten sind.» So sind laut Schwaller sämtliche Mitglieder der Geschäftsleitung Postauto AG freigestellt. Auch die Leiterin der internen Revision verlasse die Post. Sie sei zurzeit krankgeschrieben.

Juristische Beurteilung noch nicht veröffentlicht

Die juristische Beurteilung der einzelnen Personen wird laut Schwaller aufgrund der laufenden Verfahren noch nicht publiziert. Auch Fragen der Organ- und Schadenersatzpflicht würden geprüft. Der Post-Verwaltungsrat habe das Verwaltungsstrafverfahren des Bundesamtes für Polizei (Fedpol) expliziert begrüsst und bereits sehr viele Unterlagen geliefert.

Und die Rolle des Verwaltungsrats?

Angesprochen auf Konsequenzen auf Stufe Verwaltungsrat stellte Schwaller fest, dass sich auch dieser in der Verantwortung sehe. Auch hier sei kritisches Hinschauen unabdingbar. Der Verwaltungsrat werde auch in den vorliegenden Bericht für die Jahre 2016 bis 2018 erwähnt. Der Eigner werde dazu Stellung nehmen, sagte Schwaller mit Blick auf die stufengerechte Information durch Postministerin Doris Leuthard am heutigen Nachmittag. «Wir können uns nicht selber direkt einschätzen.»

Schwaller will neue Führungskultur

VR-Präsident Schwaller kündigte nach dem Skandal eine neue Führungskultur an, die auf «Ehrlichkeit und Offenheit» basieren solle. «Dass sich ein solches Fehlverhalten überhaupt etablieren konnte und jahrelang bis auf höchster Führungsebene ermöglicht wurde, steht im Widerspruch zu einer Unternehmenskultur, wie ich sie verstehe.»

Dokumentation zu PostAuto AG

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