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Präimplantations-Diagnostik Fünf Jahre PID in der Schweiz – eine Zwischenbilanz

  • Mit der Präimplantations-Diagnistik (PID) wird ein Embryo gezielt untersucht, bevor er in die Gebärmutter eingepflanzt wird.
  • Die Schweizer Stimmbevölkerung hat die Einführung der PID 2015 an der Urne klar angenommen, trotz emotionalen Abstimmungskampfes.
  • Gegnerinnen und Gegner warnten damals vor Designer-Babys und vor der schwierigen Entscheidung zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben. Seit fünf Jahren wird die PID nun angewendet. Mit welchen Erfahrungen?

Die Umsetzung der Präimplantations-Diagnostik PID habe etwas Zeit gebraucht, sagt Michael von Wolff, Leiter des Kinderwunschzentrums am Berner Inselspital: «Inzwischen hat es sich aber in fast allen Zentren der Schweiz etabliert, diese verschiedenen Techniken durchzuführen.»

PID ist in der Schweiz nur für Paare mit schweren vererbbaren Krankheiten und für unfruchtbare Paare zugelassen, die ihre Chance auf eine erfolgreiche Schwangerschaft erhöhen wollen. Es sind denn auch wenige, die die befruchteten Eizellen untersuchen lassen: Rund 350 PID-Behandlungen weist der Bund für das Jahr 2020 aus.

Was ist eine «schwere Krankheit»?

Da die gesetzlichen Vorgaben offen formuliert sind, tauschen sich die Zentren aus zur PID. Zudem haben verschiedene Gremien Richtlinien und Empfehlungen formuliert, zuletzt in diesem Sommer die Nationale Ethikkommission. Sie zeigen die Knackpunkte im Gesetz. Wichtigster Punkt ist, zu definieren, was eine schwere Krankheit ist.

Abstimmungsplakat der Gegnerschaft der PID
Legende: Zweimal hat die Schweizer Stimmbevölkerung über die Einführung der PID abstimmen können, zweimal war es ein klares Ja, trotz emotionalem Abstimmungskampf. Keystone/Walter Biei

Bernhard Rütsche, Mitglied der Ethik-Kommission und Professor für Öffentliches Recht an der Universität Luzern, erklärt, bei dieser Frage habe die Kommission nicht das Kind im Fokus, sondern die Eltern. «Nämlich, dass es für die Wunscheltern eine unzumutbare Belastung wäre, ein Kind mit einer solchen Krankheit zu bekommen und aufzuziehen. Dazu gehören zum Beispiel erhebliche, nicht nur vorübergehende Einschränkungen kognitiver Fähigkeiten, chronische intensive Schmerzen oder eine deutlich reduzierte Lebenserwartung.»

Unsere Bedenken gegenüber der Präimplantations-Diagnostik sind immer noch vorhanden.
Autor: Jan Habegger Stv. Geschäftsleiter Insieme

Diese Betrachtung kritisieren Behinderten-Organisationen kritisch als zu medizinisch. Für Insieme sagt der stellvertretende Geschäftsleiter Jan Habegger: «Unsere Bedenken gegenüber der Präimplantations-Diagnostik sind immer noch vorhanden. Insbesondere, da sie automatisch eine Unterscheidung zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben macht.»

Fünf Jahre nach Inkrafttreten der Präimplantations-Diagnostik zeigt sich also: Es gibt wenige Untersuchungen von Erbgut und Chromosomen. Das Gesetz lässt einen gewissen Spielraum, der konkretisiert werden muss. Und die grundsätzliche Kritik ist nicht verstummt.

Echo der Zeit, 9.10.2022, 18 Uhr

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