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Premiere am Bundesstrafgericht
Aus Echo der Zeit vom 16.12.2021. Bild: Keystone
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Premiere im Strafrecht Die Bank ist schuldig – der Chef nicht

Das gab es im Schweizer Strafrecht noch nie: Das Bundesstrafgericht in Bellinzona hat ein Unternehmen verurteilt.

Die Zürcher Privatbank Falcon hat sich laut dem Bundesstrafgericht in Bellinzona der qualifizierten Geldwäscherei schuldig gemacht. Der damals verantwortliche CEO der Bank hingegen wurde freigesprochen.

Das Urteil dürfte als Präjudiz für ähnlich gelagerte Fälle Schule machen. Für Juristin Simone Nadelhofer, die auf Unternehmensstrafrecht spezialisiert ist, hat das Urteil denn auch grosse Bedeutung: «Zum ersten Mal wurde in der Schweiz eine Bank verurteilt, gestützt auf das Unternehmensstrafrecht.»

Bundesstrafgericht in Bellinzona
Legende: Das Bundesstrafgericht hat den Ex-CEO der Falcon Private Bank vom Vorwurf der qualifizierten Geldwäscherei freigesprochen. Die Bank selbst muss im Rahmen der Unternehmens-Strafbarkeit eine Busse von 3.5 Millionen Franken zahlen. Keystone

Den zugehörigen Artikel im Strafgesetzbuch gibt es allerdings seit 2003. Bislang kam er aber nicht in zur Anwendung. Dies habe damit zu tun, dass das Unternehmensstrafrecht einen Paradigmenwechsel im Schweizer Strafrecht darstellte, erklärt die Juristin: «Das traditionelle Strafrecht war immer so konzipiert, dass es sich gegen Menschen richtet, die schuldfähig sind.»

Ist ein Unternehmen schuldfähig?

Nun sass in Bellinzona gleichsam ein Unternehmen auf der Anklagebank, das von Menschen geführt wird, aber nicht autonom handelt. Für den Laien mag das unverständlich sein.

Auch in juristischen Fachkreisen sei lange diskutiert worden, ob ein abstraktes Gebilde schuldfähig sein könne, führt Nadelhofer aus. «Die Strafverfolgungsbehörden brauchten nach der Einführung des Unternehmungsstrafrechts Zeit, um sich mit dem neuen Konzept auseinanderzusetzen.»

Darum wurde die Bank verurteilt

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Legende: Keystone

Die Zürcher «Falcon Private Bank» war beteiligt an Transaktionen im Zusammenhang mit einem Skandal rund um einen malaysischen Staatsfonds. Die Bank als juristische Person wurde angeklagt, weil sie die Geldwäscherei durch ungenügende Kontrollmechanismen erst ermöglicht hatte. Heute heisst die Bank Falcon Private AG.

Die Vorsitzende der Strafkammer führte bei der Urteilseröffnung aus, dass die Bank die erforderlichen und zumutbaren Vorkehrungen nicht getroffen habe, um Geldwäscherei zu verhindern. Es habe unter anderem keine klare Trennung von Funktionen gegeben. So sei der CEO beispielsweise zugleich Kundenberater gewesen oder der Chef der Rechtsabteilung habe Verträge für Kunden ausgearbeitet.

Hier stellt sich eine Grundsatzfrage: Kann man eine Firma dafür verantwortlich machen, wenn Menschen Fehler gemacht haben? Eine sehr berechtigte Frage, findet die Juristin – und beantwortet sie auf Grundlage des geltenden Rechts mit einem Ja. «Dass ein Unternehmen strafrechtlich haftbar gemacht wird, heisst aber nicht, dass nicht auch die Menschen, die ein Delikt begangen haben, dafür verantwortlich gemacht werden können.»

Eine Firma wird also nicht anstelle von Menschen bestraft. Dazu kommt: «Es gibt keine Strafbarkeit eines Unternehmens, wenn nicht auch eine Straftat durch ein Individuum begangen wurde.» Im Fall der Falcon-Bank war es die Geldwäscherei. Dass der ehemalige CEO der Bank freigesprochen wurde, sei jedoch kein Schönheitsfehler im Urteil des Bundesstrafgerichts. «Es ist aber ein Misserfolg für die Bundesanwaltschaft», sagt die Juristin.

Im Zweifel für den Angeklagten

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Die Bundesanwaltschaft (BA) hatte den 65-jährigen Ex-Banker angeklagt, weil er in der Zeitspanne von 2012 bis 2016 Gelder für den aus den Arabischen Emiraten stammenden Geschäftsmann Khadem al-Qubaisi gewaschen haben soll.

In diesem Fall ist die Strafkammer zum Ergebnis gelangt, dass der frühere CEO als Tatwerkzeug von Qubaisi eingesetzt wurde. Auch gegen Qubaisi ist ein Verfahren vor der BA hängig. Seine Taten stufte das Gericht am Mittwoch als strafbar ein.

Gegen den Ex-CEO würden zahlreiche ent- und belastende Punkte vorliegen, führte die Vorsitzende aus. Zentral sei, über welches Hintergrundwissen der Angeklagte verfügt habe. Und da habe das Gericht in dubio pro reo – also im Zweifel für den Angeklagten – entschieden.

Derzeit sind noch weitere vergleichbare Fälle hängig. Die Bundesanwaltschaft ermittelt etwa auch gegen die Credit Suisse in einem Geldwäscherei-Fall in Bulgarien.

Management kann weiter belangt werden

Das Urteil vom Mittwoch habe Signalwirkung für andere Banken, folgert Nadelhofer. «Sie werden sich die Begründung genau anschauen.» Der Blick dürfte sich nun auch nach innen richten: So dürften andere Banken nun genau prüfen, ob es bei ihnen Compliance-Lücken zur Prävention von Geldwäscherei gebe, glaubt Nadelhofer.

Eine Gefahr, dass sich die Chefetage bei künftigen Prozessen quasi hinter der Organisation verstecken könnte, sieht die Juristin aber abschliessend nicht. So werde auch im Fall der Falcon-Bank trotz dem Freispruch gegen den Ex-CEO weiter gegen eine Person ermittelt, die mutmasslich in Geldwäscherei involviert war.

Echo der Zeit, 16.12.2021, 18 Uhr;

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