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Premiere in der Romandie Stiftungen übernehmen die Tageszeitung «Le Temps»

«Le Temps» kommt 2021 in die Hände privater Mäzene. Verkäuferin Ringier bringt dafür den «Blick» nach Westen.

Das Ende des Wochenmagazins «L'Hébdo» vor drei Jahren habe die Westschweiz wachgerüttelt, sagt François Longchamp, Präsident der Stiftung Aventinus, die nun «Le Temps» übernommen hat: «Es war ein Alarmzeichen. Danach haben sich mehrere Stiftungen gesagt: Jetzt müssen wir die Presse finanziell unterstützen.»

Gewichtige Stiftungen im Hintergrund

Die Stiftung Aventinus trat bisher diskret auf. Hinter ihr stehen aber Schwergewichte in der Philanthropie in der französischsprachigen Schweiz: So etwa die Fondation Wilsdorf, die alleinige Besitzerin der Uhrenmarke Rolex. Hinzu kommen die Fondation Jan Michalski und die Fondation Leenaards sowie mehrere Mäzene aus der Genfer Bankenwelt.

Bei uns ist schon die Stiftung völlig unabhängig von den Geldgebern, die sie untestützen.
Autor: François Longchamp Präsident der Stiftung Aventinus

Trotz dieser Geldgeber soll die Zeitung «Le Temps» aber unabhängig bleiben, sagt François Longchamp: «Es gibt Mäzene, die sich Zeitungen kaufen, um Einfluss zu haben. Bei uns ist schon die Stiftung völlig unabhängig von den Geldgebern, die sie unterstützen.»

Kein Stellenabbau, aber von Lausanne nach Genf

Die Stiftung Aventinus hatte schon vor dem «Le Temps»-Kauf eine Minderheitsbeteiligung am Westschweizer Internet-Portal Heidi.news. Nun will sie dieses ganz kaufen und Synergien zwischen den beiden Titeln nutzen. Dennoch solle es zu keinem Stellenabbau kommen. Aber «Le Temps» zieht von Lausanne nach Genf zurück, wo die Zeitung ihren Ursprung hat.

Der Verkauf markiert den Beginn eines neuen Medienmodells in der Schweiz: Noch nie ist hier eine Qualitätszeitung in die Hände philanthropisch motivierter Geldgeber übergegangen.

Ringier will «Blick» lancieren

Verkäufer von «Le Temps» ist Ringier Axel Springer Schweiz. Ringier zieht sich aber nicht etwa aus der Westschweiz zurück, wo sie noch andere Titel wie die «Illustré» führt. Schon vor dem Verkauf von «Le Temps» hatte Ringier angekündigt, die Marke «Blick» in die Romandie zu bringen.

«Le Temps» sei ein wichtiger Titel für Ringier gewesen, sagte Ringier-CEO Marc Walder heute: «Gleichzeitig glauben wir aber, dass die Synergien innerhalb von Ringier dort besser zum Tragen kommen, wo wir mit «Blick» jetzt in die Westschweiz gehen.» Das sei ein Bekenntnis zu «Blick», aber auch zur Westschweiz, wo Ringier mit «L’Illustré» und der Programmzeitschrift «TV8» noch andere Publikationen habe.

Auch Watson drängt nach Westen

Werbung in der ganzen Schweiz verkaufen zu können, das ist auch einer der Beweggründe hinter der Lancierung eines anderen Deutschschweizer Internetportals in der Westschweiz: Watson.ch startet im Frühling ebenfalls auf Französisch.

Deutschschweizer Verlage drängen also vermehrt mit ihren eigenen Titeln in den Westschweizer Medienmarkt, als in bisherige zu investieren. Ob es in diesem Markt für alle genug Platz hat, wird sich in einigen Jahren zeigen. Der heutige Verkauf der Zeitung «Le Temps» zeigt aber: Diesmal reagieren Westschweizer Stiftungen, bevor es womöglich zu spät ist.

Echo der Zeit, 03.11.2020, 18:00 Uhr

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