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Prep, die Pille davor Eine Revolution im Kampf gegen Aids?

Präventivmediziner sind von Prep begeistert. Schwule auch. Den Behörden aber breitet die Pille davor Kopfzerbrechen.

Was ist Prep? Eigentlich bezeichnet der Begriff nicht das Medikament selbst, sondern seine Anwendung. Prep ist die Abkürzung für «Präexpositionsprophylaxe», also die Vorsorge vor dem Risiko. Man schluckt eine Pille, bevor man Sex hat, und ist damit vollumfänglich vor einer Ansteckung mit dem HI-Virus geschützt. Damit würden Kondome überflüssig, jedenfalls was Aids betrifft. Das Medikament selbst wird bereits seit längerem bei HIV-Patienten eingesetzt. Dass man es nun auch zur Prophylaxe verwendet, ist relativ neu.

Ist die neue Pille eine Revolution? Benjamin Hampel ist Arzt am Unispital Zürich und bietet mehrmals wöchentlich eine Prep-Sprechstunde an. Es seien ausschliesslich schwule und bisexuelle Männer, die Rat bei ihm suchten. Und es kämen immer mehr. «Wir sehen momentan einen Anstieg von Nachfragen für die Prep. Und auch bei den Veranstaltungen, die ich zu Prep gebe, sehe ich, dass immer mehr Leute kommen.» Für manche Leute sei die Pille gut, vielleicht sogar ein Segen, aber nicht für alle, betont Hampel.

Was sind die Vorteile der Prep-Pille? Der 34-jährige Eric nimmt die blaue Prep-Pille seit über einem Jahr regelmässig nach dem Zähneputzen. Von Freunden aus den USA habe er erstmals von der Anti-Aids-Pille gehört. Nach anfänglicher Skepsis habe er bald gemerkt, dass dieses Medikament für ihn geradezu ideal sei. «Vorher hatte ich ständig in Angst vor HIV gelebt. Selbst wenn ich bei jedem sexuellen Kontakt einen Gummi verwendete, hatte ich Angst.» Eric lebt seit acht Jahren in einer offenen Partnerschaft. Er habe im Jahr etwa fünf bis sechs verschiedene Sexualpartner – nicht mehr als früher. Seit er Prep nehme, sei aber die Angst weg. Eric ist bei weitem kein Einzelfall.

Was sind die Nachteile von Prep? Vor allem die möglichen Nebenwirkungen und der Preis sind laut Präventivmediziner Hampel ein Grund, weshalb viele nach dem Beratungsgespräch dann doch lieber weiter auf das Kondom setzen. Das Medikament ist in der Schweiz sehr teuer. Eine Monatsration des Originalmedikaments Truvada kostet 900 Franken. Deshalb besorgen sich viele Prep im Ausland. Das Medikament kann Leber- und Nierenschäden hervorrufen, sowie die Knochen angreifen (Osteoporose), wie Studien in anderen Ländern zeigen. Ein präventives Mittel sollte ohne Nebenwirkungen sein, wie der ehemalige Aidsbeauftragte des Bundes und Gründer der Aidshilfe Schweiz, Roger Staub, betont. «Ich verstehe die Leute nicht, die auf ein günstiges, recht sicheres und nebenwirkungsfreies Präventionsinstrument, das Kondom, verzichten wollen.»

Ist Prep in der Schweiz zugelassen? Obwohl es für die HIV-Prophylaxe nicht zugelassen ist, kann das Medikament in der Schweiz von Ärzten verschrieben werden. Im Fachjargon nennt man das Off-Label-Use. Rund 1000 Männer so schätzt man bei der Aidshilfe Schweiz, machten davon Gebrauch. Staub kritisiert diese Praxis als «lusch». Er plädiert für den korrekten Weg, der auch gewährleiste, dass Nebenwirkungen und Spätschäden gemeldet würden.

Wirkt es auch gegen andere Geschlechtskrankheiten? Nur das Kondom sei auch wirksam gegen andere übertragbare Geschlechtskrankheiten wie Syphilis und Tripper, betont Staub. Wenn nun die Prep-Pille das Kondom mehr und mehr verdränge, würden sich diese Krankheiten wieder massiv ausbreiten. Das zeigen laut Staub bereits die neusten Zahlen. «Da kommen Dinge auf uns zu, etwa dass sich mit der Zeit Keime entwickeln, die nicht mehr therapierbar sind. Ob es sich lohnt, jetzt ohne Gummi mehr Lust und Sex zu haben und dafür dann etwas einzufangen, was man nicht mehr wegbringt, da bin ich nicht sicher.» Davor fürchtet sich der Prep-Benutzer Eric nicht. Im Gegensatz zu HIV seien Tripper oder Syphilis heilbar sagt er. Er habe auch seine Sexualpraktiken durch die Prophylaxe nicht verändert.

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